Der Künstler Diether Kunerth ist immer ein Reisender, Suchender und Sehender gewesen. Doch blieb und bleibt er dabei seiner Heimatstadt Ottobeuren mit starken Wurzeln verbunden. Zurück in die bayerische Marktgemeinde hat es den 1940 in Freiwaldau geborenen Künstler bereits nach dem Studium an der Münchner Kunstakademie gezogen. Die Stadt hat es ihm in besonderer Weise gedankt. Denn dort steht nun seit sieben Jahren das Museum für zeitgenössische Kunst, das seinen Namen trägt. Gezeigt werden dort in Wechselausstellungen Positionen aktueller Kunst, sehr oft in Verbindung mit Werken Diether Kunerths.
In zwei thematischen Soloausstellungen gab es schon Gelegenheit, den vielschichtigen, umfangreichen künstlerischen Kosmos Kunerths kennenzulernen. Nach den Präsentationen „Ägypten“ und „Das Gesicht“ stehen nun als Nachklang zu seinem 80. Geburtstag „Selbstbildnisse“ auf dem Programm. Auf 2000 qm Ausstellungsfläche werden Selbstbildnisse aus all seinen Schaffensperioden, vom 16. Lebensjahr bis heute, gezeigt. Wer das Gesamtwerk Kunerths auch nur ansatzweise kennt oder denkt, es zu kennen, weiß, was das bedeuten kann.
Bei der Geburtstagsschau geht es somit weniger um reine Selbstporträts, die Besucher können sich vielmehr mit einer Art gemalter Biografie über Kunerths Leben und Schaffen auseinandersetzen. Das bedeutet aber auch, ihn auf seinen Reisen zu begleiten, fremde Länder zu entdecken und die Vielfalt seiner Stile und Techniken zu erforschen. Es scheint, für Diether Kunerth ist das Sujet weniger ein Mittel zur naturalistischen Wiedergabe seines Egos, sondern vielmehr ein geeignetes Mittel, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Das Selbstbildnis wird wie in dem Aquarell „Ausschau nach einer Frau in der Landschaft“ (1972) integrales Element der Landschaft, aber auch diese scheint wie in dem Gemälde „Mann und Frau am Meer“, das in einem Zeitraum von vierzig Jahren entstand, austauschbar. Es geht letztlich um Emotionen und Begierden und, wen verwundert es, um Kunst.
Die Reisen ins Land der Pharaonen und nach Italien, die Aufenthalte auf Santorin, auf Bali oder in Indien haben den Künstler zweifelsohne stark beeinflusst. 1996 war er zum Beispiel für einen Monat einmalig auf Bali. Die dort erhaltenen Inspirationen von der prallen Farbigkeit der Inselflora über die grazile Bewegtheit der Tänzer bis hin zu den drohenden Eruptionen der Vulkane lassen sich bis heute in seinem Œuvre und somit auch in seinen Selbstbildnissen finden. Seine Werke, gleich aus welcher Phase seines Schaffens sie stammen, sind der Ausdruck seiner Einstellung und Beziehung zum Menschen und zur Natur.
Die Farben in seinen Bildern stehen oft in größter Spannung zueinander und trotzdem steckt Harmonie darin, so auch bei seinen aus wenigen Farbflächen bestehenden Bildern, wie dem 1983 entstandenen „Selbstbildnis auf Kreta“. Ortswechsel, zurück in der Heimat im Allgäu. Dort zeigt sich der Künstler 1973 in „Bluejeans“, dort entsteht 2003 als Reminiszenz an die Kindheit auch die Collage mit echter Lederhose als lebensgroßes „Selbstbildnis als Knabe“ und dort steigt er selbstbewusst in einem expressiven Farbenrausch als „Diku aufs Allgäuer Gebirge“.
Stefan Simon weiß als Kunsthistoriker, dass es immer auch auf die Perspektive ankommt.
Diether Kunerth. Selbstbildnisse
11.12.2021 – 27.3.2022
Museum für zeitgenössische Kunst – Diether Kunerth
Marktplatz 14a
D-87724 Ottobeuren
Tel.: +49-8332-7969890
Do + Fr 11 – 16 Uhr, Sa + So 12 – 17 Uhr
Eintritt: 6 €, erm. 3 – 5 €
www.mzk-diku.de
Text: Stefan Simon
Bild: Museum für zeitgenössische Kunst – Diether Kunerth
Erstveröffentlichung in kunst:art 82