Wenn es dunkel wird…

22.10.2021 – 20.2.2022 | Lichtsicht Projektions-Triennale

Abends wird die Kunst lebendig. Ursprünglich sollte das große Projektionsprojekt bereits 2020 stattfinden und „der Welt zeigen, dass sich die Kunst im öffentlichen Raum nicht vor der Pandemie beugen würde, jedoch wurden die Veranstalter eines Besseren belehrt”, wie es in einer Pressemitteilung heißt. Als Biennale 2007 ins Leben gerufen, wird die „lichtsicht“, das spektakuläre Kunstprojekt im Kurpark in Bad Rothenfelde, nach einem pandemiebedingten jähen Abbruch im vergangenen November nun zur Triennale und findet in diesem Jahr ab Oktober bis hinein in den Februar 2022 statt. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, und so verwandelt sich das beschauliche Provinzstädtchen zwischen Osnabrück und Bielefeld nun alle drei Jahre zum künstlerischen Hotspot und Galerie unter freiem Himmel für Arbeiten aus allen Metropolen der Welt.

Dabei dienen den Künstlern, eine Symbiose aus etablierten Namen und jungen Talenten der Szene, die der Kurator und künstlerische Leiter Professor Michael Bielicky für die lichtsicht 7 gewinnen konnte, zwei historische Bauwerke als Projektionsflächen. Die beiden einst zur Salzgewinnung benutzten gigantischen Gradierwerke zählen zu den größten der Welt und bieten mit 10.000 Quadratmetern Fläche eine Leinwand, die es lohnt bespielt zu werden. Für die Projektionen wird vom Technischen Leiter Christian Meyer die neuste Technik an Beamern verwendet, die es dem Publikum erlauben, brillante Farben in Kinoqualität zu erleben. In Kombination mit der in der Summe etwa einen Kilometer langen Wandfläche der Gradierwerke, deren unregelmäßigen Oberflächen völlig mit einem bizarren Dornengeflecht übersät sind, das aus Verkrustungen und Verästelungen besteht, eröffnet sich ein magisches unvorhersehbares Spannungsfeld für das Medium Medienkunst. Hier prallen die Realitäten der narrativen Projektionskunst der Neuzeit und die baulichen Relikte aus längst vergangenem Handwerk aufeinander und eröffnen einen einzigartigen Modus für globale Digital Art.

Auch inhaltlich werden den Künstlerinnen und Künstlern kaum Grenzen gesetzt, im Gegenteil sollen sie sogar Kontroverses und Kritisches in ihren Videoarbeiten ansprechen. So behandeln etwa die Arbeiten von Sawako Kabuki oder Nao Yoshigai mit Hilfe von manchmal humoristisch angehauchten allegorischen Spielarten – etwa der Sucht eines kleinen Mädchens nach Tintenfischbällchen – oft Existenzielles. Und trotz oder gerade wegen der Vielfalt der eingereichten Kunstwerke ist es doch immer wieder dieser Ort, der durch seine Einzigartigkeit besticht: Bad Rothenfelde, das mit diesen uralten Mauern, welche eine magische Anziehungskraft besitzen und deren großen Dornenfläche nur eben hier bestimmte Kunstwerke überhaupt erlaubt zu zeigen, wie etwa jenes der Finnin Eija-Liisa Ahtila. Ihre sechskanalige Bewegtbildarbeit „Horizontal“, die eine liegende Fichte in ihrer Gesamtheit zeigt, bedarf einer riesigen waagerechten Projektionsfläche, welche ihr die 112 Meter lange Wand des Alten Gradierwerks (1774–1777) bietet. Das sogenannte Neue Gradierwerk (1818–1824) misst sogar 412 Meter in der Länge und ist 10 Meter hoch. Nach Einbruch der Dunkelheit verwandelt, ja verzaubert sich der eher geruhsame Ort Bad Rothenfelde zu einem künstlerisch aufgeladenen Quell, der auf der ganzen Welt tatsächlich seinesgleichen sucht. Medienkunst par excellence.

 

Paula Wunderlich lebt und arbeitet als freie Autorin im Rheinland.

 

 

 

Lichtsicht 7
22.10.2021 – 20.2.2022
Lichtsicht Projektions-Triennale
49214 Bad Rothenfelde
Tel.: +49-5424-22180
Projektionszeiten
Mo – Do + So 17:30 – 21:30 Uhr, Fr + Sa 17:30 – 22:30 Uhr
Führungen (8 €)
Do – So 18 Uhr + 19:30 Uhr
www.lichtsicht-triennale.de

Text: Paula Wunderlich
Bild: Lichtsicht Projektions-Triennale
Erstveröffentlichung in kunst:art 82