Synergie und Dissonanz

21.11.2021 – 27.2.2022 | Von der Heydt-Museum

In ihrem inspirierenden Austausch schwang stets auch künstlerischer Widerstreit mit: Die beiden Künstlergruppen „Brücke“ und „Der Blaue Reiter“ stehen für den deutschen Kern der klassischen Moderne, nahezu synonym werden sie heute mit dem Expressionismus genannt. Und tatsächlich führten Briefwechsel, gegenseitige Besuche, gemeinsame Ausstellungen und die Zusammenarbeit mit denselben Galerien zu vielfältigen Berührungspunkten – waren ihre theoretischen und ästhetischen Konzepte auch oftmals alles andere als deckungsgleich.

Dieser Kontrast aus Anziehung und Abstoßung wird nun detailliert im Von der Heydt-Museum in Wuppertal aufgearbeitet. In Kooperation mit den Kunstsammlungen Chemnitz und dem Buchheim Museum, Bernried am Starnberger See führen die Häuser ihre jeweiligen Sammlungen zusammen, die malerische Hauptwerke der Künstlergruppen ebenso wie Arbeiten auf Papier enthalten. Diese werden durch nationale und internationale Leihgaben ergänzt, um das künstlerische Spektrum beider Gruppen möglichst breit zu erfassen. Dabei sind Künstler wie Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff, Erich Heckel, Max Pechstein, Emil Nolde und Otto Mueller als Gründer und zentrale Mitglieder der „Brücke“ ebenso vertreten wie Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Franz Marc, August Macke, Alexej von Jawlensky, Marianne von Werefkin und Paul Klee, die anfänglich der Redaktion des Almanachs „Der Blaue Reiter“ angehörten und daraus resultierend die Künstlergruppe prägten.

Die Künstler des Expressionismus strebten nach einer Malereiauffassung, in deren Zentrum nicht die Reflexion der Wirklichkeit oder gar ihre möglichst naturalistische Wiedergabe stand; vielmehr führte ein freierer Umgang mit Form und Farbe zu einer Reduzierung der Motive auf ihre Grundformen. Mittels der Intensität der Farbe wurde auch die Intensität der Emotionen dargestellt. Während dabei Künstlerinnen und Künstler beider Gruppen im Kern der Gegenständlichkeit zugewandt blieben, strebten beispielsweise Kandinsky und Klee der Abstraktion entgegen.

Im Fokus der Wuppertaler Ausstellung steht die Kernzeit des Expressionismus von 1905 bis 1914, von der Gründung der „Brücke“ 1905 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs 1914, der nicht nur dem „Blauen Reiter“ ein Ende setzte, sondern auch insgesamt eine Epochenschwelle markiert. Gemeinsame Bezugspunkte wie etwa die Auseinandersetzung mit Impressionismus und Jugendstil, mit Fauvismus, Kubismus und Futurismus oder mit prägenden Vorbildern wie Cézanne, Gauguin und van Gogh werden herausgearbeitet. Dass zugleich gravierende Unterschiede bestanden und Konflikte befeuerten, die unter anderem die Abgrenzungen der Gruppen nach außen und ihre Positionierungen zu weiteren Künstlervereinigungen der Epoche betrafen, wird gleichermaßen thematisiert. So macht die ausführliche Werkauswahl der drei Museen verschiedenste Nuancen dieser Synergien und Dissonanzen zweier zentraler Pole der deutschen Moderne umfassend erfahrbar.

 

 

 

 

Ninja Elisa Felske ist ein freie Journalistin, die in Köln arbeitet und lebt.

Brücke und Blauer Reiter
21.11.2021 – 27.2.2022
Von der Heydt-Museum
Turmhof 8
D-42103 Wuppertal
Tel.: +49-202-5636231
Di – So 11 – 18 Uhr, Do 11 – 20 Uhr
Eintritt: 12 €, erm. 10 €
www.von-der-heydt-museum.de

Text: Ninja Elisa Felske
Bild: Von der Heydt-Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 82