Der Künstler und sein Idol

28.1. – 29.5.2022 | Unteres Belvedere

Es ist allseits bekannt, dass der Surrealismus von Freud, der Psychoanalyse und der seriösen Traumdeutung beeinflusst ist. Wie wichtig allerdings Dalí diese Verbindung zu Freud war, ist nun Thema einer neuen Ausstellung in Wien.

Salvador Dalí (1904–1989), der schon sehr früh seinen exzentrischen Kleidungsstil entwickelte, entdeckte Anfang der 1920er-Jahre Sigmund Freud und seine Schriften. Besonders die „Traumdeutungen“ (1899/1900) hinterließen großen Eindruck bei Dalí und beeinflussten seinen Malstil. Karge Landschaften, zerfließende Uhren und seltsam deformierte Körper sollen traumhaft wirken. Freud und seine Psychoanalyse haben den größten Anteil an der Stilfindung Dalís, weshalb dieser auch stets darauf aus war, Sigmund Freud persönlich zu begegnen und mit ihm zu sprechen.

Verschiedene Versuche misslangen, doch schließlich trafen sich die beiden 1938 unter der Mithilfe von Stefan Zweig und Edward James in London. Bei diesem Treffen zeichnete Dalí, der in diesen Tagen einer von vielen Besuchern war, ein Porträt von Freud. Es war das erste und einzige Treffen des Künstlers mit dem Begründer der Psychoanalyse. Freud starb nur ein Jahr später in seinem britischen Exil.

Vor allem die Werke Dalís der 1920er- und 1930er-Jahre waren ganz und gar dem Surrealismus verschrieben. Die Bilder jener Zeit sind es, an die man beim Namen Salvador Dalí zuerst denkt. Mit dem Beginn der 1940er-Jahre wurde Dalí klassischer, weniger traumhaft, ohne jedoch diese Zeit vollends zu verleugnen.

100 Werke Dalís zeigt das Wiener Belvedere, darunter Gemälde, Skulpturen, Fotografien, Filme, Bücher, Zeitschriften und Briefe. Anhand dieser Zeugnisse zeigt die Ausstellung die Verbindung von Dalí zu Freud. Es sind Referenzen, die zeigen, welchen Stellenwert der Wiener Psychiater und seine bahnbrechenden Theorien für Dalí haben und mit welcher fast schon an Obsession grenzender Beharrlichkeit Dalí ein Treffen herbeisehnte und geradezu erzwang.

Sigmund Freud soll vor dem Treffen kein großer Freund des Surrealismus gewesen sein, doch das Treffen mit Dalí soll ihn etwas geneigter gemacht haben. Dennoch sagte er zu dem Künstler: „In Ihren Bildern suche ich nicht das Unterbewusste, sondern das Bewusste […] Bei Ihnen liegt das Mysterium auf der Hand. Das Bild ist nur ein Mechanismus, der das Geheimnis aufdeckt.“ (Pinakotheken München) Eine Kritik, der sich auch viele Kunstkritiker anschließen.

Die Begegnung Dalís mit Freud steht im Zentrum der Ausstellung, die jedoch ebenso anderen Begegnungen des Künstlers Beachtung schenkt: Auch die Treffen mit dem Dichter Federico García Lorca und dem Filmemacher Luis Buñuel, zuletzt auch mit dem Nobelpreisträger Santiago Ramón y Cajal waren bedeutend für Salvador Dalí und finden somit ihre Beachtung in dieser kulturhistorisch spannenden Ausstellung. Auch ein gefeierter Künstler wie Dalí war ein Fan, dem die Treffen mit seinen Idolen immens wichtig waren. Dieses Bestreben macht den unnahbaren Künstler mit seiner Rüstung aus Mode und Gestus dann doch wieder menschlich!

 

 

 

Dalí – Freud. Eine Obsession
28.1. – 29.5.2022
Unteres Belvedere
Rennweg 6
A-1030 Wien
Tel.: +43-1-795570
www.belvedere.at

Text: Christian Corvin
Bild: Unteres Belvedere
Erstveröffentlichung in kunst:art 83