Weniger geht kaum

5.2. – 1.5.2022 | Landesmuseum Oldenburg: Augusteum

Gleich zwei Ausstellungen befassen sich mit einer Kunstform, die prinzipiell auf radikale Reduktion aus war. Weniger sollte mehr sein: Das bezog sich auf die eingesetzten formalen Mittel wie die dargestellten Inhalte, aber genauso auf das andernorts so gern gepflegte Künstler-Ich. Statt individualistischer Selbstversenkung ging es den Minimalisten um die Rückführung auf Primärstrukturen – und die gelten eben (so dachte man) universell, sozusagen persönlichkeitsübergreifend. Das Hamburger Bucerius Forum und das Oldenburger Landesmuseum stellen nun die Minimal Art in den Fokus großer Präsentationen, mit allerdings etwas unterschiedlichen Schwerpunkten.

Die Minimal Art im engeren Sinne ist ein Phänomen der US-amerikanischen Kunstszene der 1960er-Jahre: Im Zuge der Emanzipation vom abstrakten Expressionismus entwickelten junge Künstler eine Bildsprache der radikalen Vereinfachung, des Verzichts auf jede Form von Illusionismus: Angesagt waren „Primary Structures“, so der Titel einer seinerzeit impulsgebenden Ausstellung. Die Negation des altbekannten Kunstbetriebs legte überdies den Griff zu nüchternen Industrieprodukten als künstlerischem Material nahe. Das Bucerius Forum führt mit „Minimal Art. Körper im Raum“ ins Herz dieser Tendenzen. Die Gründungsväter (die Mütter, wie nicht anders zu erwarten, damals in der definitiven Minderheit …) sind allesamt in herausragenden Werkbeispielen präsent: Carl Andre und Donald Judd, Sol LeWitt und Robert Morris und viele mehr. Was die Hinwendung zum Industriematerial angeht, ist Dan Flavin mit seinen Objekten aus – dem Werbebedarf entlehnten – Leuchtstoffröhren ein markanter Vertreter des Minimalismus als Raumgestaltung. Die Hamburger können sich bei ihrer Schau auf zahlreiche Leihgeber stützen, vor allem die Christopher Seibt Collection (ebenfalls Hamburg). Ihr verdankt sich denn auch die Erweiterung der Schau von den amerikanischen Ursprüngen hin zu den europäischen Vertretern: darunter Imi Knoebel und die zwischendurch etwas ins Abseits der Wahrnehmung gerutschte, aber hoch interessante Charlotte Posenenske.

Das Oldenburger Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte stellt im kürzlich glänzend restaurierten Augusteum den Blick noch mehr ins Weite. Hier wird deutlich, dass die emphatisch minimalistischen Bestrebungen der innovativen Amerikaner denn doch so absolut neu nicht waren, sondern durchaus Vorläufer hatten im Europa der Zwischenkriegszeit: „Konstruktiv, konkret, minimal“ benennt sie schon der Titel der Ausstellung. Auch hier steht eine engagierte private Sammlung im Hintergrund: Das Sammlerpaar Stephan und Birgit Hupertz, auch sie aus Hamburg, hatte in den 1960er-Jahren begonnen, eine Sammlung zur abstrakten Kunst anzulegen, die von vornherein neben den zeitgenössisch-aktuellen minimalistischen Positionen Vertreter des Konstruktivismus und der Konkreten Kunst berücksichtigte, so von Josef Albers, Willi Baumeister über Bridget Riley bis hin zu Ólafur Elíasson.

 

 

 

Konstruktiv, Konkret, Minimal. Die Sammlung Hupertz
5.2. – 1.5.2022
Landesmuseum Oldenburg: Augusteum
Galerie Alte Meister
Elisabethstr. 1
D-26135 Oldenburg
Tel.: +49-441-40570400
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 9 €, erm. 6 €
www.landesmuseum-ol.de

Minimal Art. Körper im Raum
12.2. – 24.4.2022
Bucerius Kunst Forum
Alter Wall 12
D-20457 Hamburg
Tel.: +49-40-3609960
Täglich 11 – 19 Uhr, Do 11 – 21 Uhr
Eintritt: 9 €, erm. 6 €
www.buceriuskunstforum.de

Text: Dieter Begemann
Bild: Landesmuseum Oldenburg: Augusteum
Erstveröffentlichung in kunst:art 84

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Begemanns Blog: Sternschnuppen An dieser Stelle soll es um ästhetische Sternschnuppen gehen und, wie es die Schnuppen so machen, sollen sie hin und her zischen auf manchmal verblüffenden Kursen – kreuz und quer! Ich konnte (und musste zum Glück mich auch nie) entscheiden zwischen praktisch-bildkünstlerischen und theoretischen Interessen: Ich liebe Malerei und Bildhauerei, begeistere mich für Literatur, bin ein Liebhaber von Baukunst und Design –aber meine absolute Leidenschaft gehört der Gestaltung von Gärten und Autos. Und, eh ich’s vergesse: natürlich dem Film!!