Der neuen Fragestellung einen Raum schaffen

9.6. – 25.9.2022 | Stadtgalerie Saarbrücken

Man kann bei Tagesdämmerung gegen den Horizont eine mit blauer Farbe gefüllte Sprayflasche restlos entleeren. Man kann sich dabei fragen, ob sich dadurch etwas verändert: Wird der Himmel jetzt etwas blauer? Oder bilden sich mit dem Wind Formen, die im Gedächtnis haften bleiben? Oder verpuffen sie umso schneller, je heftiger der Wind weht? Hat sich überhaupt etwas verändert? Oder gar nichts?

Und wie ist es, wenn man sich ganz mit weißer Farbe bemalt und versucht, auch gefühlsmäßig zu begreifen, was Kreideweiß (und Kreidebleich) bedeutet und was es mit der Psyche macht, wenn man sich dergestalt vor eine extrem weiße Wand stellt. Das sind einige der Fragen, die die junge, an der Akademie der Bildenden Künste in Saarbrücken ausgebildete Performance-Künstlerin an ihre eigene Kunst stellt.

Paulette Penje hat von 2008 bis 2014 Bildhauerei/Public Art an der Hochschule der Bildenden Künste in Saarbrücken studiert und wurde zur Meisterschülerin von Prof. Georg Winter ernannt. Es folgte ein Studienaufenthalt an der New York School of Visual Art, wo nicht nur die Performance als solche im Vordergrund stand, sondern auch die berechtigte Frage, was es bedeutet, im freien Raum zu agieren, und welche Bedeutung dieser freie Raum für den eigenen Körper hat. Denn er ist das Material, das all diese Experimente trägt (und erträgt) und das – etwa in ihrer „Excerpts-Reihe“ (2021) – die Hauptrolle spielt.

Eine zweite sehr signifikante Performance-Reihe nennt sie „Licks“: Es geht darum, verschiedene Oberflächen mit der Zunge statt mit den Händen zu ertasten. Ein scheinbar zum Scheitern der Kommunikation verurteilter Versuch, denn der Geschmack eigener Haut verschiedener Körperteile lässt sich kaum auf die verbale Welt übertragen. Aber auch das gehört zum Fragen-Repertoire von Paulette Penje, die vor allem durch und von ihrem Körper ausgeht.

In ihrer Ausstellung „LA-AIR“ in der Staatsgalerie in Saarbrücken spuckt sie beispielsweise Farbe an die Wand, die sie dann leckt, bevor diese am Boden landet und als solche in der Performance selbst irrelevant wird. Was wichtig ist, sind die Figuren an der Wand, die danach übrig bleiben, sowie die Videoaufnahmen, die den ganzen Prozess dokumentieren. Penje interessiert dabei besonders: Wie wichtig sind die Prozesse des Entstehens von Malereien, ihre Überbleibsel und auch die genutzten Werkzeuge? Und was bleibt am Ende übrig? „(N)icht nur Spuckfiguren an der Wand, sondern auch Videoarbeiten über den Entstehungsprozess“, betont sie.

Im gesamten Feld der sogenannten Video-Skulptur spielt der Körper (wie etwa in „Swaying“) eine wesentliche Rolle und führt über die Berichterstattung über eine Performance hinaus. Jede Berührung einer Glasfläche kann solche Video-Skulpturen ändern oder sogar verschwinden lassen. Die gewöhnlichen Koordinaten einer Publikumsperformance sind da außer Kraft gesetzt… Ein weites Feld, das die Visual Arts in den nächsten Jahren prägen wird.

Dr. Milan Chlumsky promovierte an der Pariser Sorbonne über Ästhetik und den tschechischen Poetismus.

Paulette Penje. La Air
9.6. – 25.9.2022
Stadtgalerie Saarbrücken
St. Johanner Markt 24
D-66111 Saarbrücken
Tel.: +49-681-9051853
Di – Fr 12 – 18 Uhr, Sa + So 11 – 18 Uhr
Eintritt: frei
www.stadtgalerie.saarbruecken.de

Text: Dr. Milan Chlumsky
Bild: Stadtgalerie Saarbrücken
Erstveröffentlichung in kunst:art 86