Songlines

17.6. – 30.10.2022 | Humboldt Forum

„Mein Land ist mein Fundament. Ich stehe, lebe und handle, solange ich etwas Festes und Hartes habe, auf dem ich stehen kann.“ James Galarrwuy Yunupingu

Seit sieben Jahren arbeite ich im Outback Australiens mit indigenen Künstlern. Nach meinem Studium, in dem ich mich intensiv mit der indigenen Welt Australiens auseinandergesetzt hatte, wollte ich es live erleben. Realität und Erwartung lagen jedoch weit auseinander. In den letzten Jahren durfte ich teilhaben an einer Kultur, die vom Rest der Welt und auch vom Rest Australiens oft unterschätzt wird. Dabei ist sie so reich an Wissen, eine Gesellschaft, die unter dem westlichen Druck langsam und stetig dahinschwindet, deren letzte Custodians uns nach und nach verlassen und die doch so viel zu geben hat, wenn wir nur hinhören und hinsehen würden.

Die Mythen der Wüste fungieren als Wissenssystem und geben eine Struktur für die Lebensführung vor, so Margo Neale (Kuratorin von Songlines). Die Custodians kennen einen Teil der Mythen, die mit ihrem Land verbunden sind. Aus allem entstehen die Songlines, sie bestehen in Liedern, Geschichten und Tänzen. Ein immerwährendes Kontinuum. „Die Songlines (..) sind archetypische Erzählungen, die das Land bereichern und beleben und ihm die Kraft und Energie verleihen, damit es als dauerhaftes Wissensarchiv fortbestehen kann.“ Das Konzept von Land unterscheidet sich dabei von dem im westlichen Denken, das Land ist nicht ein physischer Ort, der einem gehört, sondern man ist Teil des Landes, alles ist verbunden und man ist verantwortlich für die Bewahrung desselben. Wir „tragen Verantwortung dafür, es lebendig und gesund zu erhalten – physisch und spirituell.“ … „Indigene Australier haben diesen Kontinent seit mehr als 60.000 Jahren nachhaltig bewirtschaftet. Doch nur 250 Jahre nach der britischen Ankunft befindet er sich in einem kritischen Zustand“, so Neale.

Auch „Kungkarangkalpa“, eine der größten Schöpfungsgeschichten in der Wüste, beinhaltet verborgen detailliertes Wissen. Sieben Schwestern flüchten vor Wati (Pitjantjatjara für Mann) Nyiru. Der gerissene Verfolger verwandelt sich dabei in die verschiedensten Formen, um die Schwestern auszutricksen, jedoch sind diese ihm stets einen Schritt voraus.
Auf ihrer Flucht durchwandern sie 7.000 km der Zentralen Wüste Australiens. Sie verbergen sich, campen und sammeln Nahrung, dabei prägen sie die Landschaft und so ist in der Geschichte auch das Wissen um Nahrung, Erhalt und Überleben in der Wüste verwoben. Schließlich flüchten sie sich in den Himmel, wo man sie noch heute als hellste Sterne in den Plejaden sehen kann. Wati Nyiru gibt aber nicht auf, folgt ihnen auch weiterhin, dort als hellster Stern im Zeichen des Orion.

„Songlines: Sieben Schwestern erschaffen Australien“ ist das Resultat langjähriger Arbeit. Ein Projekt zur Bewahrung der Songlines, entstanden auf Bitten der Ältesten aus verschiedenen Sprachgruppen und unter ihrer Anleitung und Mitwirkung. Die multimediale Ausstellung gibt einen Einblick in diese uns so fremde Welt. Sie nimmt uns mit auf die Reise der sieben Schwestern.
Wir werden keine Geheimnisse erfahren, denn diese liegen in den tieferen Schichten der Erzählung, die nur wenigen vorbehalten sind, aber wir bekommen einen einzigartigen Einblick, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen.

Liane Wendt ist Kunsthistorikerin und arbeitet seit sieben Jahren in Australien mit indigenen Künstlern.

Songlines. Sieben Schwestern erschaffen Australien
17.6. – 30.10.2022
Humboldt Forum
Schlossplatz
D-10178 Berlin
Tel.: +49-30-992118989
Mo + Mi – So 10 – 20 Uhr, Fr + Sa 10 – 22 Uhr
Eintritt: 12 €, erm. 6 €
www.humboldtforum.org

Text: Liane Wendt
Bild: Humboldt Forum
Erstveröffentlichung in kunst:art 86

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