Wenn der Elefant am Pfirsich nascht

27.10.2022 – 15.1.2023 | Museum Haus Konstruktiv

Wer sich die Ausstellung „Zwei kühle Zwergelefanten fressen Einfühlungsüberschuss mit Pfirsicharoma“ von Yves Netzhammer im Zürcher Haus Konstruktiv ansieht, wird sich nicht nur über den fantasievollen Ausstellungstitel wundern, sondern in den Räumen des Hauses Konstruktiv auf eine Vielzahl an merkwürdigen Figuren, Tieren und weiteren Kuriositäten stoßen.

Dabei ist sich der Künstler wieder einmal treu geblieben: Objekte, die gleichermaßen figurativ und abstrakt sind, symbolisieren die Vielschichtigkeit von Netzhammers Werk. So können die länglichen, an den Enden konisch zulaufenden und abgerundeten Elemente der Installationen „Versuchsanordnung 2022“ aufgrund ihrer Lage als Gliedmaßen eines zusammengekauerten menschlichen Körpers aufgefasst werden oder auch einfach nur als einzelne Teile einer Assemblage.

Ob Mensch, Tier oder surrealer Kopffüßler: Der Gang durch die Ausstellung wird zu einer emotionalen Achterbahn, selbst hartgesottene Gemüter werden vermutlich vom Mitgefühl ergriffen. So wie bei dem Elefanten in einem Videostill, dessen Körper von drei stämmigen Beinen getragen wird. An der Stelle, wo man normalerweise ein viertes Bein erwarten würde, ragt ein menschlicher Arm heraus, dessen Hand den Tierkörper berührt.

Überhaupt ist der Elefant in der Ausstellung ein wiederkehrendes Motiv: Das große, massige, zugleich aber auch empfindsame und soziale Tier wird zum Beispiel an eine in der Farbe des Pfirsichs getünchten Wand projiziert und von Zeit zu Zeit von unterschiedlichen Flugobjekten angesteuert. Mal ist eine Pusteblume im Anflug, mal wird es von einem Kampfflugzeug in Miniformat bedroht.

Empathie und menschliches Handeln bilden den Grundtenor in Netzhammers Werk und stellen einen zentralen Aspekt der Ausstellung dar. In einem Mix aus Computeranimation und Objekten, Zeichnungen, 3-D-Drucken und Wandmalereien entstehen komplexe Arbeiten, die teilweise in die Architektur des Museums integriert sind.

Einen Spaß erlaubt der Künstler sich mit der Neuauflage seiner bereits 2018 gezeigten Ausstellung „Biografischer Versprecher“, die ebenfalls im Haus Konstruktiv zu sehen sein wird und in der Netzhammer seine Heimatstadt Schaffhausen auf die Schippe nimmt. Nicht nur der im Schaffhausener Wappen vorkommende schwarze Widder wird Protagonist in seinen Arbeiten, auch eine kleine Figur, die in Anlehnung an die in Schaffhausen kreierte Streuwürze „Aromat“ im gelb-grünen Narrenkostüm ihr schelmisches Unwesen treibt, ist ein weiterer Höhepunkt der Ausstellung.

Manches, was zunächst absurd erschien, erschließt sich beim Gang durch die Ausstellung. Das Gezeigte dient dabei lediglich als Denkanstoß, den der 1970 geborene Yves Netzhammer seinem Publikum mit auf den Weg gibt.

Neben zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland bespielte Yves Netzhammer 2007 den Schweizer Pavillon der 52. Biennale von Venedig. Außerdem arbeitet er an einem Animationsfilm „Reise der Schatten“, der 2023 in die Kinos kommt.

Yves Netzhammer. Zwei kühle Zwergelefanten fressen Einfühlungsüberschuss mit Pfirsicharoma
27.10.2022 – 15.1.2023
Museum Haus Konstruktiv
Selnaustr. 25
CH-8001 Zürich
Tel.: +41-44-2177080
Di – So 11 – 17 Uhr, Mi 11 – 20 Uhr
Eintritt: 18 CHF, erm. 12 CHF
www.hauskonstruktiv.ch

Text: Karin Gerwens
Bild: Museum Haus Konstruktiv
Erstveröffentlichung in kunst:art 88