Auf der Allee flanieren die Spaziergänger zwischen Sindelfingen und Böblingen, der Blick auf die Altstadt schweift über Felder, Wiesen und Storchennest, die Eisenbahnbrücke steht als Solitär in der weiten Landschaft. Willkommen im Jahr 1916, der Stuttgarter Maler Reinhold Nägele weilte während seines auf dem Böblinger Flugplatz zu absolvierenden Militärdienstes in der Kleinstadt. In der Städtischen Galerie werden nun Nägeles minutiös geschilderte Momentaufnahmen des damaligen Stadtlebens gezeigt, darunter auch sein Bild „Französische Kriegsgefangene auf dem Flugfeld“.
Zwei Jahrzehnte später hielt sein Malerkollege Fritz Steisslinger (1891–1957) „Böblingen im Winter mit Schlittschuhläufer auf dem Unteren See“ fest, der „1. Mai in Böblingen“ wurde mit Hakenkreuzfahnen dokumentiert. Der Zeitzeuge schildert mit Bildern wie „Arbeiten an den Bahngleisen in Böblingen“ (1933–35) und „Bau der Autobahn“ (1936) die Entwicklung Böblingens von einer ländlich geprägten Dorfidylle zum international gefragten Industriestandort. Eingebettet sind Steisslingers „Zeitenwende-Bilder“ in die über den Zeitraum mehrerer Jahrzehnte erfassten Stadtbilder von Gemälden der „goldenen wie giftigen Zwanziger“ bis in die beginnenden „Aufschwungjahre“ der Nachkriegsära. Die Exponate werden in der von der Galerieleiterin Corinna Steimel hervorragend umgesetzten Ausstellungspräsentation wie im hoch informativen Ausstellungskatalog im damaligen Zeitkontext verortet, aber stets unter aktuellen Blickwinkeln befragt.
Böblinger Bilderbogen 1900 bis 1950
26.10.2022 – 23.4.2023
Städtische Galerie Böblingen
(Museum Zehntscheuer)
Pfarrgasse 2
D-71032 Böblingen
Tel.: +49-7031-6691705
Mi – Fr 15 – 18 Uhr, Sa 13 – 18 Uhr, So 11 – 17 Uhr
Eintritt: 2,50 €
www.staedtischegalerie.boeblingen.de
Text: Stefan Simon
Bild: Städtische Galerie Böblingen
Erstveröffentlichung in kunst:art 88
