In den Videos von Sven Johne geht es beschaulich zu. Da wird ein kleiner Vogel von fürsorglicher Hand warmgehalten, da führt uns eine Kamera durch die ruhige Natur, in der nur ihre eigenen Töne vom Rauschen des Waldes bis zum Rauschen des Meeres zu hören sind. Die Ansichten der Naturschönheit seiner Rügener Heimat haben schon Caspar David Friedrich, Gustav Carus und Johannes Brahms beeindruckt, wie uns eine jugendliche Stimme aus dem Off in Erinnerung ruft. Warum aber trägt dieses Idyll den Titel „Vom Verschwinden“? Auch darüber erzählt die Stimme und die Landschaft offenbart nicht nur die Schicksale, die an diesem Ort stattgefunden haben, Menschen heimsuchten. Plötzlich hören wir von Krieg, Flucht und einer Hinrichtung durch Besatzungssoldaten. Das Idyll ist brüchig. Brüchig ist sogar die Landschaft an sich. In absehbarer Zeit wird der Klimawandel Rügen verändert haben.
Schmalzig ist die Kunst von Sven Johne nicht, das wird bald klar und umso eindringlicher, je weniger der Einstieg in seine Bild- und Filmwelten solche Wendungen erwarten ließ. Fast bekommt man Angst, sich nach „Vom Verschwinden“ auch dem Video „Lieber Wladimir Putin“ auszusetzen. Hier beginnt die Betrachtung im geschützten Raum einer Wohnung, in der ein Herr sein Hemd bügelt. Ordentlicher geht es kaum. Aber auch hier lauert der Abgrund: Der ordentliche Herr erweist sich als Pegida-Demonstrant mit devianten Ideen. Sven Johnens Arbeiten sind sehenswert, auch wenn oder gerade weil sich das anfängliche Wohlgefühl so oft als trügerisch erweist.
Sven Johne. Vom Verschwinden
26.11.2022 – 19.3.2023
Kunstsammlung Jena
Markt 7
D-07743 Jena
Tel.: +49-3641-498261
Di – So 10 – 17 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 5 €
www.kunstsammlung-jena.de
Text: Jan Bykowski
Kunstsammlung Jena
Erstveröffentlichung in kunst:art 88
