Fotografie für gesellschaftlichen Fortschritt

20.1. – 19.3.2023 | Akademie der Künste

Auch das Privateste wie Sexualität oder Tod ist politisch. Die US-amerikanische Fotografin Nan Goldin findet hier ihre Themen, die in ihrer Arbeit als politische Themen erkennbar werden. Dabei scheut sie den persönlichen Einsatz nicht, ihre eigene Person mit ihren sehr privaten Anliegen dient ihr als Beispiel für gesellschaftliche Probleme. So ist es ihre eigene Medikamentenabhängigkeit, anhand derer sie das große Elend sichtbar macht, das die Pharmaindustrie mit dem Schmerzmittel Oxycodon verursacht hat. Zahllose Drogenkarrieren besonders in den USA gehen auf diesen Wirkstoff zurück, auch die von Nan Goldin. Mit Ausstellungen in namhaften Museen der USA, die von der mitverantwortlichen Pharma-Industriellen Familie Sackler gefördert werden, arbeitete sich Nan Goldin an diesem Komplex ab.

Ebenso als Aktivistin für die LGBTQ+-Community, für deren Belange und Anerkennung sich Goldin mit Projekten wie der auf der Dreigroschenoper basierenden „Ballad of Sexual Dependency“ einsetzt. Auch hier ist sie sehr nahe am Thema, nämlich in der Szene. Der Einsatz Nan Goldins geht nicht nur was ihre Persönlichkeit angeht über die Tätigkeit einer Fotografin hinaus, auch die Inszenierung ihrer Bilder ist Teil ihres erweiterten künstlerischen Selbstverständnisses. Die Sorge darum, wie und in welcher Dramaturgie sie den Betrachtenden begegnen, versteht sie als Teil ihrer Arbeit.

Und mit dieser Arbeit hat sie Wirkung erzielt. Zwar sind die Problemfelder, mit denen sie sich beschäftigt, noch weit von einer zufriedenstellenden Lösung entfernt, aber sie haben sich in den Jahrzehnten ihrer Tätigkeit schon spürbar entwickelt. Homosexualität und die Belange der queeren Community sind in der amerikanischen und auch in den europäischen Gesellschaften noch nicht vorbehaltlos akzeptiert, aber zumindest im Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit angekommen und auf dem – wenn auch noch langen – Weg zur Akzeptanz. Nan Goldin hat ihren Anteil daran. Dafür wurde sie bereits mit Preisen wie dem Hasselblad Foundation Award oder dem Kunstpreis Ruth Baumgarte geehrt, zu denen die Berliner Akademie der Künste nun einen bedeutenden hinzufügt: Nan Goldin ist Trägerin des Käthe Kollwitz Preises 2022.

Verbunden mit dieser Auszeichnung ist eine Ausstellung, die ab Januar in der Akademie der Künste am Berliner Hanseatenweg besucht werden kann. Für eine umfassende Retrospektive ist es wohl noch zu früh, zu viel ist von der Künstlerin noch zu erwarten. Aber ein Rückblick auf ihr bisheriges Werk lohnt sich bereits allemal, schon wegen der Fülle von Stilmitteln, die Nan Goldin verfügbar sind. Schwarz-Weiß beherrscht sie ebenso wie Farbfotografie, intime Bilder der Nähe zu Menschen ebenso wie das Genre der Landschaft. Ihre Fähigkeit zur Inszenierung belegt die Fotografin und Filmemacherin zudem in ihren Grids, bestehend aus Serien von Einzelbildern. Vieles aus Berliner Sammlungen konnte in der Akademie der Künste mit Leihgaben aus dem Ausland zur Ehrenausstellung der preisgekürten Künstlerin in den Ausstellungsräumen im Berliner Tiergarten ergänzt werden.

Jan Bykowski ist Journalist für Kunst und Märkte in Berlin.

Käthe-Kollwitz-Preis 2022. Nan Goldin
20.1. – 19.3.2023
Akademie der Künste
Hanseatenweg 10
D-10557 Berlin
Tel.: +49-30-200572000
Di – Fr 14 – 18 Uhr, Sa + So 11 – 19 Uhr
Eintritt: 6 €, erm. 4 €
www.adk.de

Text: Jan Bykowski
Bild: Akademie der Künste
Erstveröffentlichung in kunst:art 89