Die Wirkmacht des Geldes

8.3. – 10.7.2023 | Palais Populaire

Es ist ein unsichtbarer, aber für jedermann spürbarer Zusammenhang: Das Kapital durchdringt nicht nur die materielle Existenz der Menschen. Es beeinflusst auch ihre gesellschaftliche Stellung, sogar ihre Träume. Ähnlich wie die Vorstellung von Gott entzieht es sich jedoch jeder expliziten Darstellungsmöglichkeit. Wie also abbilden, was sich nicht abbilden lässt?

Dieser Frage ging der britische Künstler und Filmemacher Isaac Julien in seiner Videoarbeit “Playtime” nach, die nun im PalaisPopulaire in Berlin zu sehen ist. Der in Großbritannien zum Ritter geschlagene Künstler widmet sich in seinen oft lyrischen Videoinstallationen zeitgenössischen Themen wie etwa dem Rassismus. Zuletzt wurde er 2022 mit dem Goslarer Kaiserring geehrt. Die nun in Berlin ausgestellte Arbeit aus dem Jahr 2014 thematisiert die Finanzkrise, die sechs Jahre zuvor weltweit für wirtschaftliche und soziale Verwerfungen gesorgt hat. Ähnlich einem Indizienprozess sucht er die Wirkmacht des Geldes greifbar zu machen und lässt dafür verschiedene Kronzeugen auftreten: einen Künstler, dessen Traum von einem Haus platzt. Eine philippinische Hausangestellte, die sich als Arbeitssklavin in Dubai für eine bessere Lebensgrundlage ihrer Familie opfert. Natürlich auch Hedgefonds-Manager, deren Interesse und Schöpfungskraft dem Mammon dienen und die ganz unbeschadet aus der Krise hervorgehen – natürlich. Die Erzählung des Filmemachers Julien, die auf einer dreijährigen Recherche von Geschichten realer Personen beruht, spielt sowohl mit der Authentizität des Stoffes wie auch mit der Archaik des Narrativs. Dies macht er auch szenenbildnerisch deutlich, indem er die Zerstörungskräfte der Finanzkrise und das Trauma, das diese Krise bei einem Menschen hinterlässt, in den von Urkräften der Natur geprägten Landschaft Islands auftreten lässt. Nicht unwesentlich ist jedoch, dass der Künstler Julien im Film – nicht ganz unironisch – auch seine eigene Verbundenheit als Künstler mit dem Kapital zum Thema macht. Wie kann Kunst ohne den Initialakt eines Investors entstehen?

Die Figuren öffnen dem Zuschauer ihre Gefühlswelten, die Julien zeitgleich im Setting der Räume spiegelt, in denen sie auftreten: Ob archaische Landschaft oder großstädtische Hochhausästhetik bis hin zum detaillierten Blick auf die Innenausstattung der Räumlichkeiten – die Drehorte in London, Island und Dubai zeigen auf, welche Zusammenhänge es zwischen dem Kapital und den Verformungen, die es hinterlässt, zu entdecken gibt. Dabei spielt der Künstler auch mit der Prominenz mancher Beteiligter im Film: Zu sehen sind unter anderem der Schauspieler James Franco und der Auktionator Simon de Pury.

Die Schau von “Isaac Julien: Playtime – Werke aus der Sammlung Wemhöner” ist vom 8. März bis zum 10. Juli 2023 zu sehen und bietet den Auftakt im Ausstellungsjahr des Hauses, das am 18. April mit “Constructed Memory” Werke aus der Sammlung der Deutschen Bank präsentieren wird.

Die Journalistin Karolina Wróbel ist sowohl in der Hochkultur, als auch in der Berliner Lokalszene zu Hause.

Isaac Julien. Playtime
8.3. – 10.7.2023
PalaisPopulaire
Unter den Linden 5
D-10117 Berlin
Tel.: +49-30-2020930
Mo + Mi – So 11 – 18 Uhr, Do 11 – 21 Uhr
Eintritt frei
palaispopulaire.db.com

Text: Karolina Wrobel
Bild: PalaisPopulaire
Erstveröffentlichung in kunst:art 90