Eine gelungene Werkschau zum 85. Geburtstag

15.01.2023 - 16.07.2023 | Atrium im Museum Würth 2

Georg Baselitz, der am 23. Januar 1938 in Deutschbaselitz in Sachsen als Hans-Georg Kern geboren wurde, gehört zweifelsohne zu den bedeutendsten deutschen Malern der Gegenwart und weltweit zu den erfolgreichsten Künstlern. Im internationalen Ranking „Kunstkompass“ stand er auch im vergangenen Jahr wieder auf Platz drei – direkt hinter Gerhard Richter und Bruce Naumann. Anlässlich seines 85. Geburtstages wird der Malerstar in zahlreichen Ausstellungen in München, Wien, Zürich oder Paris gewürdigt. Den Reigen der bildgewaltigen Geburtstagsgrüße eröffnete jedoch als erstes Haus das Museum Würth 2 in Künzelsau-Gaisbach. Zu sehen sind nun rund 50 Werke, damit etwa die Hälfte des imposanten Baselitz-Konvoluts in der Sammlung Würth.

„Es ist gut, ein Motiv zu haben“, hat Georg Baselitz einmal gesagt. Er wollte nicht wie seine Kollegen in die Abstraktion flüchten, hegte dennoch ein gewisses Misstrauen gegenüber gegenständlichen Motiven. Und fand so zu seinen Markenzeichen, die ihn schließlich weltberühmt machten: Er stellte die Motive seiner Bilder häufig einfach auf den Kopf. Die Mehrheit der über fünfzig gezeigten Werke sind Druckgrafiken – für Baselitz ebenso wichtig wie Malerei und Bildhauerei. Anders als die Expressionisten, die die Fläche betonen, leben Baselitz‘ Grafiken von der Linie. Insgesamt 18 teils sehr großformatige Linolschnitte aus den Jahren 1977 bis 1979, die Mitte der 1990er-Jahre vom Künstler erneut abgezogen wurden, ziehen im Atrium die Blicke auf sich. „Sie strahlen Virtuosität und fließende Dynamik zugleich aus. Als Kopffüßler befreien sie sich vom eigentlichen Motiv“, so Beate Elsen-Schwedler, stellvertretende Direktorin der Sammlung Würth. Wiederkehrende Motive wie der Adler werden von Baselitz über die Jahrzehnte variiert und transformiert. Baselitz greift auch immer wieder Motive aus der Frühzeit auf, experimentiert, kombiniert und zitiert, sich selbst und die Kunstgeschichte. So auch in den „Remix“-Bildern von 2006, die wieder seine alten „Helden“ als ausgemergelte Kriegsheimkehrer in übergroßen Uniformen zeigen. Die Skulptur „Römischer Gruß“, ein schwarzer Stiefel mit klobigem Knie, ist eine Anspielung auf seine umstrittene Figur mit erhobenem Arm auf der Biennale 1980. Das Ölgemälde „A Domestic Scene I“, ist Baselitz‘ Antwort auf Raffaels berühmte „Sixtinische Madonna“, die von der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg als Beutekunst wieder nach Dresden zurückgegeben wurde. Seine Version: Goldene Hunde zwischen hingeklecksten Flügeln statt Engel vor dem flatternden Vorhang. Ein rostroter Stuhl – Zitat eines Van-Gogh-Motivs – mit weiteren Hunden („Two Cairn Terriers in Red Armchair“, 2008) hängt kopfüber an zentraler Stelle des Rundgangs. Im vergangenen Jahr kamen als Neuerwerbungen „Willems Bein“ und „Lucios Halbinsel“ in die Sammlung Würth. Die feuervergoldeten Bronzereliefs in Form des italienischen Stiefels sind eine Hommage an die Künstler Willem de Kooning und Lucio Fontana, erinnern zugleich an den „Römischen Gruß“ und demonstrieren vor allem die Experimentierfreudigkeit des 85-jährigen Künstlers.

Stefan Simon weiß als Kunsthistoriker, dass es immer auch auf die Perspektive ankommt.

Georg Baselitz zum 85. Geburtstag
bis zum 16.7.2023
Atrium im Museum Würth 2
Am Forumsplatz 1
D-74653 Künzelsau
Tel.: +49-7940-152230
Täglich 11 – 18 Uhr, ab 3.4.: 10 – 18 Uhr
Eintritt frei
www.kunst.wuerth.com

Text: Stefan Simon
Bild: Atrium im Museum Würth 2
Erstveröffentlichung in kunst:art 90