Die Seelenverwandschaft

11.6. – 17.9.2023 | Franz Marc Museum

Ihre Liebesromanze scheint direkt einem Roman entsprungen zu sein: Sie erlaubt ihm, ein Kohleporträt von ihr zu machen, ein Vorwand, der letztendlich zu einem Dialog der Seelen führte. Sie ist 15, er 16. Sie hören nicht auf, von sich zu erzählen und – so nah steht der eine der anderen – eine Verzückung zu erzeugen, die beide für über zehn Jahre innig zusammenschweißt. Viele Jahrzehnte später wird Elisabeth Macke mit Dankbarkeit an diese ersten Momente denken, in denen beide erkannten, dass sie füreinander geschaffen waren.

Bald begann August Macke, hinreißende Porträts von seiner jungen Geliebten und Frau zu machen, und damit eine neue Epoche der deutschen Malerei einzuleiten. Dabei hatte das junge Paar ein immenses Glück: Der Onkel, Bernhard Koehler, gehörte zu den engagiertesten Sammlern der neuen jungen Kunst, er kaufte auch sämtliche Bilder des jungen August. Zu den großen Paradoxen jener Zeit gehörte auch, dass August Macke kein einziges Bild (außer eben die an seinen Onkel) zu seinen Lebzeiten verkaufte.

Als der erste Weltkrieg ausbrach, wurde auch Macke einberufen. Eine fürchterliche Vorahnung führte dazu, dass er Elisabeth bat, im Falle seines Todes seinen Freund, Lothar Erdmann zu heiraten, denn die beiden Kinder Walter und Wolfgang (1910 und 1912 geboren) brauchten einen Vater. Und in der Tat: Keine vier Wochen später fiel er in der französischen Champagne. Kurze Zeit später schrieb Elisabeth an Franz Marc, den gemeinsamen Freund: „Aber mein Leben mit August war so unsagbar schön, vom ersten bis zum letzten Tag unserer Gemeinschaft, dass mir in allem Leid nur schöne Gedanken kommen …“

Kurze Zeit nach dem Tod von August begann Elisabeth Macke ein Verzeichnis der Werke ihres Mannes anzufertigen. Außerdem beschloss sie, die Jahre, die sie mit August verbracht hatte, möglichst genau aufzuschreiben. Zunächst für die Kinder gedacht, sind diese Aufzeichnungen eine überwältigende Beschreibung ihrer Bemühungen, Kontakte zu Galeristen, Sammlern und Museen aufzunehmen. Sie handelte mit viel Geschick, schon 1921 wurden erste Werke von August Macke an die Nationalgalerie in Berlin verkauft. Museen in Breslau, Essen und Düsseldorf folgten.

Mackes Werke und Dokumente deponierte sie an verschiedenen Orten – eine Vorsichtsmaßnahme, die dazu beitrug, dass beinahe das komplette Werk Mackes erhalten blieb. Mit ihrem zweiten Mann begann sie auch alle Briefe und Dokumente zu transkribieren, so dass es, wie bei kaum einem anderen deutschen Künstler, sehr detaillierte Unterlagen zu diesem wichtigen Repräsentanten des deutschen Expressionismus gibt.

Elisabeth Macke, die 1978 90-jährig starb, bearbeitete bis zuletzt (seit 1948 auch mit dem Sohn Wolfgang) unermüdlich den Nachlass ihres Mannes, der zum großen Teil ab 1953 an das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster ging: etwa 400 Gemälde, Zeichnungen und Aquarelle, 80 Skizzenbücher und zahlreiche andere Dokumente. Sie machen verständlich, warum August Macke zu den populärsten deutschen Malern des beginnenden 20. Jahrhunderts zählt.

Dr. Milan Chlumsky promovierte an der Pariser Sorbonne über Ästhetik und den tschechischen Poetismus.

August und Elisabeth Macke. Der Maler und die Managerin
11.6. – 17.9.2023
Franz Marc Museum
Franz Marc Park 8-10
D-82431 Kochel am See
Tel.: +49-8851-924880
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 9,50 €, erm. 6 €
www.franz-marc-museum.de

Text: Dr. Milan Chlumsky
Bild: Franz Marc Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 91