Als die Frösche Kunstgeschichte machten

13.5. – 17.9.2023 | Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz»

Zwei Maler, ein Ort: „La Grenouillère“, salopp „der Froschtümpel“, das war in den 1860er-Jahren ein beliebtes Ausflugsziel für die stadtmüden Pariser – raus aus der Großstadt und doch, nicht einmal 20 Kilometer weit, gut mit dieser neuen Eisenbahn zu erreichen! Beim Örtchen Croissy-sur-Seine lockte am Wochenende die Natur und das Wasser, mit Glück auch die Sonne. Die Natur vor Ort war touristisch attraktiv aufgemöbelt: Spazierwege, Bootsverleih, Baden, Essen und Trinken, sich treiben lassen in der bunten Menge, sehen und gesehen werden! Man könnte sagen, hier wird die Kultur der modernen Freizeit erfunden: Vergnügungsangebot für die von der Masse Gestressten – in der Masse.

Kein Wunder, dass die Gruppe junger Maler aus Paris, zumeist um 1840 herum geboren, die sich um Claude Monet und Auguste Renoir geschart hatten, diesen Ort gerne besuchten – zum Vergnügen, na klar doch, vor allem aber zum Malen! Eine Kunst, die dem Zeitgeist auf der Spur war, die das Pulsen des schnell vorübergehenden Moments auf der Leinwand festhalten wollte, sie war am Froschtümpel am rechten Platz!

„Im Bad der Farben – Renoir und Monet an der Grenouillère“: Die Ausstellung der Sammlung Oskar Reinhart in Winterthur führt zwei an genau diesem Ort entstandene Hauptwerke der frühen impressionistischen Kunst wohl erstmals seit ihrem Entstehen wieder zusammen. Von Pierre-Auguste Renoir (1841–1919) stammt das im Besitz der Sammlung befindliche Gemälde „La Grenouillère“, vom Freund, Kollegen (und gelegentlichem Rivalen) Claude Monet (1840–1926) das mit demselben Titel versehene Gegenstück, welches aus der Londoner National Gallery anreist. Beide Bilder sind vom nahezu gleichen Standpunkt aus gesehen und von beinah identischer Größe, weisen jedoch kompositorisch und in der malerischen Handschrift deutliche Differenzen auf.

Zwar bildet in beiden Fällen ein schmaler Brettersteg die bildtragende Horizontale. Er führte vom Ufer links zur kreisrunden Miniaturinsel – sie war unter Eingeweihten als „Camembert“ bekannt – und weiter rechts zum schwimmenden Restaurant. Doch ist der Eindruck des Steges bei Monet ein mehr schwebender, weil das Ziel des Steges und der darauf Flanierenden, die Insel, durch den Bildausschnitt wegfällt, auch ist Monets Handhabung des Pinsels rauer. Letzteres war sicher dem Charakter des Werks als vor Ort „en plein air“ realisierter Skizze geschuldet, gefolgt von einer erst später im Pariser Atelier anzufertigenden Endfassung: Monet hatte hier den Salon von 1870 im Auge. Beide Darstellungen des Ausflugszieles am Wasser beziehen ihre Qualität aus ihrer Direktheit und Unmittelbarkeit, nicht aus ihrer dokumentarischen Dimension. Und doch erzählen uns die Bilder heute auch etwas vom Beginn der Moderne und ihren Vergnügungen.

Die Schau ist die jüngste aus der Reihe der sorgfältig konzipierten Kabinettausstellungen der Sammlung Reinhart, die wiederum die im Fokus stehenden Werke beleuchtet durch die Kombination mit internationalen Leihgaben und historischen Dokumenten.

Dieter Begemann interessiert sich (auch) für die angewandte Gestaltung, Kunsthandwerk oder Design: kurz, für die Raffinessen der Dinge!

Im Bad der Farben. Renoir und Monet an der Grenouillère
13.5. – 17.9.2023
Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz»
Haldenstr. 95
CH-8400 Winterthur
Tel.: +41-58-4667740
Di – So 10 – 17 Uhr, Mi 10 – 20 Uhr
Eintritt: 15 CHF, erm. 12 CHF
www.roemerholz.ch

Text: Dieter Begemann
Bild: Sammlung Oskar Reinhart
Erstveröffentlichung in kunst:art 91

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Begemanns Blog: Sternschnuppen An dieser Stelle soll es um ästhetische Sternschnuppen gehen und, wie es die Schnuppen so machen, sollen sie hin und her zischen auf manchmal verblüffenden Kursen – kreuz und quer! Ich konnte (und musste zum Glück mich auch nie) entscheiden zwischen praktisch-bildkünstlerischen und theoretischen Interessen: Ich liebe Malerei und Bildhauerei, begeistere mich für Literatur, bin ein Liebhaber von Baukunst und Design –aber meine absolute Leidenschaft gehört der Gestaltung von Gärten und Autos. Und, eh ich’s vergesse: natürlich dem Film!!