Dem Unbehagen auf der Spur

26.10.2023 – 11.2.2024 | Museum Villa Stuck

Sein Werk gehört heute wohl zu den am besten erforschten literarischen Arbeiten überhaupt: Das Œuvre des Schriftstellers Franz Kafka erfuhr erst posthum weltweit Beachtung – nicht allein, weil Kafka mit nur 40 Jahren an Tuberkulose starb und die größten Teile seiner Arbeiten erst danach zur Veröffentlichung kamen. Die bis dahin über verschiedene Zeitschriften und Zeitungen veröffentlichten Erzählungen erreichten zwar ein intellektuelles Publikum und wurden durchaus goutiert, jedoch konnten die so zerstreut veröffentlichten Erzählungen und kurzen literarischen Texte kaum mit einem zusammenhängenden Werk eines genialen Autors in Verbindung gebracht werden. Umso erstaunlicher, welchen Einfluss seine Erzählwelten auf alle Künste nahmen: Zum hundertsten Todestag befragt die Villa Stuck die Wirkmacht des Autors auf die ihm nachfolgenden Künstler und die bildende Kunst selbst.

Zweifel an der eigenen schöpferischen Kraft wie auch die Auseinandersetzung mit den psychologischen Untiefen der menschlichen Existenz und mit gesellschaftlichen Zwängen – viele Künstler nehmen bis heute ganz konkret einen Bezug auf Kafka oder lassen bedeutsame Entsprechungen der Narrative oder Motive von Kafka in ihrem eigenen künstlerischen Blick erkennen. Dabei blättert die Ausstellung anhand der zeitgenössischen künstlerischen Werke gleichsam durch das Œuvre des Schriftstellers Kafka und breitet so die literarische Innenwelt wie auch die biografischen Elemente seines Lebens umfangreich aus.

Die literarischen Motive sind schon allein für Bühnenbildner, die diese mit Enge und räumlichen Labyrinthen verknüpften Erzählwelten aufgreifen, eine Fundgrube an in Räume übersetzten Mehrdeutigkeiten. Ein Sujet, worauf sich auch der Bildhauer Thomas Schütte versteht, der seine „gebauten Bilder“ ins Modellformat der Theaterbilder übersetzt. Seine Versuchsanordnung eines Kellers knüpft auf diese Weise indirekt ebenso an Kafkas Erzählung „Der Bau“ und seinen Roman „Das Schloss“ an wie die als Telefonkabelsalat versinnbildlichten Irrwege des als „Maschinenmaler“ betitelten Künstlers Konrad Klapheck.

Ein nahezu undurchdringliches Traumlabyrinth erschafft Chiharu Shiota mit der Installation „During Sleep“, bei der sie einen ganzen Raum der Villa Stuck webend bespielt. Neben den implizit zu entdeckenden Bezügen gibt es natürlich noch ganz konkrete: Etwa im Werk von Ignacio Uriarte, der in „All the days of Franz Kafka” tagebuchartig über Einträge in eine Excel-Tabelle alle Tage im Leben des Schriftstellers benennt. Jeff Wall wiederum setzt sich mit der Fotografie „Odradek, Taboritskà 8, Prag, 18. Juli 1994“ mit dem dokumentarischen Anspruch seines Mediums auseinander, wenn er die 1920 publizierte Kurzgeschichte „Die Sorge des Hausvaters“ zum Ausgangspunkt einer Suche nach etwas Unbestimmbarem macht. Daneben ruft die Villa Stuck auch die mächtigen Bilder des Leids in Analogie zu Franz Kafkas Erzählungen in vielerlei Werken auf: Darunter auch mit Janet Cardiffs und George Bures Millers „The Killing Machine“, einer kinetischen Folterskulptur, die, inspiriert von Kafkas „In der Strafkolonie“, mehr als nur Unbehagen beim Betrachten evoziert und über das mögliche Mitmachen an die verdrängten sadistischen Untiefen anknüpft.

Die Journalistin Karolina Wróbel ist sowohl in der Hochkultur, als auch in der Berliner Lokalszene zu Hause.

Kafka: 1924
26.10.2023 – 11.2.2024
Museum Villa Stuck
Prinzregentenstr. 60
D-81675 München
Tel.: +49-89-4555510
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 9 €, erm. 4,50 €
www.villastuck.de

Text: Karolina Wróbel
Bild: Museum Villa Stuck
Erstveröffentlichung in kunst:art 94

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