Dass Mammon und Malerei sich gegenseitig befördern, ist keine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Das Kapital, das die besten Künstler anzieht und die Kultur, die das Geldverdienen erst lohnend macht, sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Und genau so war es zum Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts: Die Bank- und Handelshäuser der Fugger und weiterer Familien sorgten mit ihrem Geld dafür, dass ihre Heimatstadt Augsburg kulturell und nicht nur finanziell ein Fixpunkt ihrer Zeit wurde. Die Renaissance erreichte Augsburg und damit von den Alpen aus betrachtet: den Norden!
Es war im Süden, im heutigen Italien, das im 14./15. Jahrhundert noch aus vielen rivalisierenden Stadtrepubliken bestand, wo die später so genannte Renaissance aufkam. Im Grunde bezeichnet die Renaissance eine Überwindung des Mittelalters, eine Rückbesinnung auf die Antike und damit einen Übergang zur Neuzeit. In der Malerei bedeutete das zum Beispiel eine endgültige Abkehr vom christlichen Gedanken, dass man sich „kein Bild machen solle“. Zwar bleibt eine Vielzahl von Werken religiösen Motiven treu, doch diese werden vermehrt in eine profane Umgebung oder gar in die Natur platziert. Die getreuliche Wiedergabe von Mensch, Tier und Natur findet ihren Höhepunkt und mit Raffael (1483–1520) ihren Meister.
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts erreicht die Renaissance dann auch den Norden, also das Gebiet nördlich der Alpen. Augsburg war politisch und wirtschaftlich bedeutsam zu dieser Zeit, nachdem Augsburg 1316 Reichsstadt geworden war und Reichstage dort durchgeführt wurden. Wirtschaftlich waren es insbesondere die Kaufmannsfamilien der Fugger und der Welser, die Augsburg herausragen ließen. Kulturell wird die Zeit im Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert in Augsburg vor allem mit Hans Holbein dem Älteren (um 1664–1524) und Hans Burgkmair (1473–1531) dem Älteren in Verbindung gebracht.
Beide waren in Augsburg lange Zeit tätig und beide sorgten dafür, dass Augsburg weit über die Stadtgrenzen hinaus als ein Zentrum der Renaissancemalerei galt. Stilistisch waren die beiden Meister unterschiedlich geprägt: Burgkmair hat viele Motive während seiner Italienreise gesehen und entwickelte diese in Augsburg weiter. Zudem arbeitete er viel mit Druckgrafik und versuchte sich auch an anderen Techniken (Rötelzeichnung, Gold- und Farbdruck). Holbein hingegen orientierte sich eher Richtung niederländischer Malerei, da er diese während seiner Gesellenreise gesehen hatte. Der Ruf Holbeins muss zumindest bis nach Frankfurt exzellent gewesen sein, da er dort für das Hochaltarretabel der Dominikaner die Flügelbilder und die Predella schuf.
Die Ausstellung in Frankfurt zeigt so viele Werke der beiden Künstler der Augsburger Renaissance, wie man sie vermutlich noch nie zusammen sah. Rund 130 Werke vereint die Schau im Städel, darunter viele Werke Holbeins und Burgkmairs, aber auch Bilder von Künstlern, die das Werk der beiden geprägt haben oder von ihnen wiederum beeinflusst wurden.
Besonders glücklich sind die Kuratoren der Ausstellung darüber, dass man Schlüsselwerke Holbeins für die Ausstellung gewinnen konnte, wie die “Madonna des Bürgermeisters Jacob Meyer zum Hasen” (1526–1528) und die “Solothurner Madonna” (1522).
Christian Corvin lebt und arbeitet als freier Autor in Köln.
Holbein und die Renaissance im Norden
2.11.2023 – 18.2.2024
Städel Museum
Schaumainkai 63
D-60596 Frankfurt am Main
Tel.: +49-69-605098200
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 21 Uhr
Eintritt: 18 €, erm. 16 €
www.staedelmuseum.de
Text: Christian Corvin
Bild: Städel Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 94