Entwurfsanlagen der Zeit und des Raums

20.1. – 18.6.2023 | Kunstmuseum Thurgau

Es sind seltsame Objekte und Konstruktionen, die uns begegnen. Sind sie einfach so aus unterschiedlichen Resten zusammengestellt und warten darauf, dass sie wegkommen? Es ist schwierig, einen Sinn in den, ja, wie soll man es nennen, Objekten zu finden. Mal sind sie klein und stehen auf dem Tisch, mal sind sie groß und sind begehbar.

Hannes Brunner, der 1956 in Luzern geboren wurde, hat diese Objekte gebaut. Nachdem er 1977 bis 1982 an der Kunsthochschule Kassel Fotografie und Bildhauerei studiert hatte, absolvierte er von 1995 bis 1997 an der ETH Zürich noch ein Architekturstudium. Seit 2012 ist er Professor für Bildhauerei an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee.

Die Objekte sind, wie der Titel der Ausstellung schon andeutet, Entwurfsanlagen. Man könnte es auch als Modell umschreiben. Also etwas, was man zwar in aller Breite erklären und beschreiben kann, aber erst als Modell/Entwurfsanlage auch sehen kann.
Es sind Modelle aus dreißig Jahren künstlerischen Schaffens, die in Thurgau gezeigt werden. Zuerst Modelle, mit denen Brunner architektonische Fragen untersucht: die Gestaltung von Parks, Fassaden und vieles mehr. Danach kamen Fragestellungen hinzu, die noch schwerer zu fassen waren: Das Phänomen der Zeit oder Klang. Installativ versuchte er sich diesen komplizierten Sachverhalten anzunähern. Seit einigen Jahren hat er sein Augenmerk auf gesellschaftliche Fragestellungen umgelenkt.

Der Luzerner Hannes Brunner versucht die Dinge zu verstehen. Er möchte ergründen, warum und wie ein Park funktioniert. Er möchte sich im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild von der Zeit machen und er möchte die Interaktionen von Menschen untereinander begreifen. Um das tun zu können, entwickelt der Künstler Modelle, die seine Sicht auf die Dinge vereinfachen: „ein Abbild der Realität, das deren Komplexität soweit reduziert, dass sie verstanden und überprüft werden kann“, wie der Pressetext zur Ausstellung verrät.

Es sind banale Gegenstände, Alltagsgegenstände, die zum Bau dieser Modelle benötigt werden: Karton, Sperrholz, Dachlatten, Draht, Fundstücke, alte Türen, Stühle und vieles mehr. Daraus entstehen Kleinstmodelle und Rauminstallationen, deren Aussehen unterschiedlicher kaum sein könnte. Mal sind es formschöne Modelle, mal um die Ecke gedachte Konstruktionen. Gemeinsam ist ihnen meist, dass sie erst durch eine Erläuterung, durch eine Anleitung dechiffrierbar werden.

Der Künstler erklärt oder leitet durch eine Anleitung oder einen zum Werk dazugehörigen Text den Betrachter an, sein Modell zu verstehen und zu nutzen. Der andere Weg, sich dem Werk zu nähern, ist intuitiver: Man kann sich vorstellen, welches Problem gelöst werden soll, und wer weiß, vielleicht löst man so en passant noch weitere Fragestellungen als nur die des Künstlers? Und formschön sind einige der Arbeiten von Hannes Brunner sowieso!

Eine Vielzahl von Objekten aus dreißig Schaffensjahren von Hannes Brunner wartet in der Ausstellung im Kunstmuseum Thurgau. Ein Katalog mit spannenden Diskussionsbeiträgen erscheint im Frühjahr.

Christian Corvin lebt und arbeitet als Journalist im Rheinland.

Hannes Brunner. Entwurfsanlagen
20.1. – 18.6.2023
Kunstmuseum Thurgau
Kartause Ittingen
CH-8532 Warth
Tel.: +41-58-3451060
Mo – Fr 14 – 17 Uhr, Sa + So 11 – 17 Uhr
Eintritt: 10 CHF, erm. 7 CHF
www.kunstmuseum.tg.ch

Text: Christian Corvin
Bild: Kunstmuseum Thurgau
Erstveröffentlichung in kunst:art 89