Erinnerungsspeicher
„Räume sind Hüllen, sind Häute. Eine Haut nach der andern ablösen, ablegen: Das Verdrängte, Vernachlässigte, Verpasste, Versunkene, Verödete, Vergessene, Verfolgte, Verwundete.“ Heidi Bucher (1926–1993) begriff die Haut als Schnittstelle zur Welt, als sensorischen Speicher von Erinnerung. Wenn Heidi Bucher mit ihren Häutungen gesellschaftliche wie private Machtstrukturen entlarvte, so öffnete sie in einem nächsten Schritt den Raum auch für Veränderung. So kann man Heidi Buchers „Hautraum (Ricks Kinderzimmer, Lindgut Winterthur (1987))“ durchaus als Schlüsselwerk in der Sammlungsausstellung „Material Memories“ gesehen werden. Die Latex-Häutung eines Zimmers aus einer historischen Villa ist Trägerin von Erinnerungen, von denen sich die Künstlerin emanzipiert hat.
Um Erinnerungen und Veränderungen geht es auch in den Werken von Vivian Suter. Richtungsweisende Momente für die Arbeit der argentinisch-schweizerischen Malerin waren Tropenstürme. Suter akzeptierte das Eingreifen der Natur in ihre Arbeit. Die Leinwände tragen fortan die Spuren der Umwelt wie Schlamm oder Laub. Ob es sich nun um die Installationen Buchers oder die Materialbilder Suters handelt, die Vorstellung von Material als Spurenträger und Erinnerungsspeicher dient als Ausgangspunkt dieser Ausstellung: Sie beschäftigt sich damit, wie Material mit Bedeutung aufgeladen wird, von der Arbeitsschürze in Graciela Gutiérrez Marx’ fotografischer Collage bis hin zu Yael Davids’ „ent-webter“ schwarzer Stoffbahn „Vanishing Point“.
Material Memories
10.2. – 20.5.2024
Migros Museum für Gegenwartskunst
Limmatstr. 270
CH-8005 Zürich
Tel.: +41-44-2772050
Di – So 11 – 18 Uhr, Do 11 – 20 Uhr
Eintritt frei
www.migrosmuseum.ch
Text: Stefan Simon
Bild: Migros Museum für Gegenwartskunst
Erstveröffentlichung in kunst:art 96