Verwandt in Körper und Geist

23.9.2022 – 26.2.2023 | Lehmbruck Museum

Antony Gormley, REFLECTION II, 2008, Lehmbruck Museum, Duisburg, 2022 © Antony Gormley, Foto Dejan Saric

Das Lehmbruck Museum zeigt die bislang größte Ausstellung des britischen Bildhauers Antony Gormley in Deutschland. Das kommt nicht von ungefähr, denn Gormley sieht sich selbst in naher Beziehung zum künstlerischen Werk von Wilhelm Lehmbruck und ist dessen uneingeschränkter Bewunderer.

Antony Gormley ist international bekannt als einer der wichtigsten und einflussreichsten Bildhauer der Gegenwart, und aufgrund der Geistesverwandtschaft mit Lehmbruck soll die Ausstellung als Dialog zwischen den beiden Künstlern angelegt sein und Schlüsselwerke zeigen, die mit fast einem Jahrhundert Abstand voneinander geschaffen wurden. Die Präsentation zieht Parallelen zwischen Gormley und Lehmbruck, die beide den menschlichen Körper als Ort der Transformation hin zu einem Zustand des reinen Seins und der stillen Kontemplation begreifen.

„Calling on the Body”, so der Titel der Ausstellung, bezieht den Lehmbruck-Flügel und das gesamte Museum mit ein. Verteilt über 3.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche spiegeln die ausgewählten Arbeiten die große Bandbreite seines Schaffens, von den bahnbrechenden frühen Bleiarbeiten zu der neueren Serie „Slabworks”, die den Körperraum in Architektur verwandelt.

Gormley ist gegenwärtig auch über den Kunstbetrieb hinaus im Gespräch, da eine von ihm für das Londoner Imperial College geschaffene über sechs Meter hohe Skulptur zu offenbar missverständlichen Interpretationen Anlass bietet. „Alert“, so ist der Titel dieser Skulptur, ist eine Stahlplastik, wobei die übereinandergestapelten Stahlblöcke eine in der Hocke sitzende Person zeigen sollen, die auf den Fußballen balanciert. Die Studierendenvertretung erkennt hingegen in dem Hockenden einen aufrecht stehenden Mann mit einem drei Meter lang nach vorn „sich ausbreitenden Phallus“. Die Studierendenvertretung fürchtet nicht nur um ihren guten Ruf, wenn eine solch umstrittene Figur sie in der Öfentlichkeit repräsentiert, sondern die Studierenden weisen auch darauf hin, dass aufgrund der offensichtlichen männlichen Geschlechtszugehörigkeit der Figur diese eben nicht die Studierendenschaft des College repräsentiere, da fast die Hälfte der Studierenden weiblichen Geschlechts seien.

Wilhelm Lehmbruck hingegen taugte offenbar nicht zu derartigen öffentlichen „Skandalen“ mit seinem Werk. Aber eine Nähe der beiden Künstler ist so offensichtlich, dass es ein Glücksfall ist, ihre Werke so mit dieser Ausstellung in eine räumliche Nähe zu bringen. Die Arbeiten beider beziehen sich auf den Körper als Ort der Transformation und einen Zustand des reinen Seins. Sogar Körperumfänge und Größe haben Ähnlichkeiten und selbst ihre Haltungen sind exzeptionell darauf gerichtet, in sich selbst versunken zu sein und dennoch in einem direkten Kontakt mit der Umwelt zu stehen. Durch diese ihre Ähnlichkeiten eignen sich die Kunstwerke sehr gut für einen Dialog, der in dieser Ausstellung erreicht werden soll.

Bence Fritzsche ist Chefredakteur der Zeitschrift atelier.

Gormley/Lehmbruck. Calling on the Body
23.9.2022 – 26.2.2023
Lehmbruck Museum
Friedrich-Wilhelm-Str. 40
D-47051 Duisburg
Tel.: +49-203-2833294
Di – Fr 12 – 17 Uhr, Sa + So 11 – 17 Uhr
Eintritt: 9 €, erm. 5 €
www.lehmbruckmuseum.de

Text: Bence Fritzsche
Bild: Lehmbruck Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 87

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