Wochengipfel | Es geht um die Freiheit der Kultur!

Kalenderwoche 10 | 2016

Am gestrigen Sonntag haben drei Landtagswahlen stattgefunden, es war der erwartete Superwahltag 2016. Die Ergebnisse werden uns noch Wochen beschäftigen. Und an dieser Stelle möchte ich auch gar nicht ausblenden, dass ich geschockt bin, dass eine Partei wie die AfD so viele Wähler hinter sich vereinen kann. Aber darum soll es ausnahmsweise gar nicht gehen, oder zumindest nur am Rande. Denn darüber hinaus gibt es ein viel länger schon anhaltendes Phänomen, das mir mindestens gleich viel Sorgen macht und das ich nun hier ins Zentrum der Diskussion stelle – und da fügt es sich inhaltlich ganz besonders, dass sich Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat zu Wort gemeldet hat. Mir geht es um die Themen, die im Wahlkampf (und in der Politik allgemein) diskutiert werden – oder vielmehr um die, die viel zu wenig im Fokus stehen.

Worüber wurde denn bei diesen drei Landtagswahlen gesprochen? Was waren die wichtigen Themen? Als erstes natürlich die Frage der Flüchtlinge – das war das große Thema, danach kam erst mal lange nichts. Am Rande hörte man mal was von Polizei, die zu viel Überstunden machen muss und unterbesetzt sei. OK, natürlich gab es auch einige Wirtschafts- und Infrastrukturmaßnahmen, wie Brücken, Bahnhöfe und ähnliches. Auch Schule und Unterrichtsausfall wurde thematisiert. Fehlt noch was?

In der Tat fehlt noch was: Über das originär landespolitische Thema Kultur wurde kaum gesprochen. Ausgerechnet die AfD hat das noch am öffentlichkeitswirksamsten gemacht, wenngleich in unsäglicher Art und Weise, Stichwort der Deutschen Kultur auf der Bühne, im Museum und in der Musik. Selbstverständlich hat jede Partei Kultur im Wahlprogramm, mal weiter vorn, mal weiter hinten. Aber darum geht es nicht. Kultur ist offenbar kein Gewinner-Thema, als Thema nicht sexy. Und das geht nicht nur Parteien an – fast jeder kennt inzwischen den Wahl-O-Maten der Bundeszentrale für politische Bildung: Zur Landtagswahl in Baden-Württemberg fanden sich dort 38 Fragen, die man beantworten sollte. Von diesen betrafen zehn die Flüchtlingssituation direkt oder indirekt, aber keine einzige betraf das landespolitische Thema Kultur! Und das in Zeiten, in denen eigentlich Kultur in jeder Hinsicht zentrales Thema sein sollte!

Denn zum einen bezweifle ich, dass die Wähler der AfD – da sind wir doch wieder beim Wahlergebnis von gestern – tatsächlich nur die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung ablehnen. Es geht um mehr, da die CDU immer mehr in die Mitte gerückt ist. Es geht um ein dumpfes Identitätsgefühl, es geht um Vaterlandsstolz, es geht um falsch verstandene christliche Werte und auch um einen Kulturkampf. Das alles gibt die AfD den Menschen, die sich unter Helmut Kohl noch als Mehrheit in Deutschland fühlten, unter Gerhard Schröder erschrocken feststellten, dass sie diese nicht mehr waren und unter Angela Merkel enttäuscht und resignierend erkennen mussten, dass sie nicht mal in der CDU die Mehrheit sind. Die AfD-Wähler sind zu einem großen Teil die, die abgehängt wurden von der Entwicklung der Politik, der Gesellschaft und der Kultur.

Es dürfte also ein Irrglaube sein, wenn man meint, dass die Bundesregierung nun nur die Flüchtlingspolitik ändern müsse und alles wäre wieder gut. Es geht um viel mehr, die Flüchtlingspolitik war nur der Anlass, der zur Mobilisierung der AfD-Wähler führte. Sollte sich diese ändern, wäre der Spuk nicht vorbei, sondern würde erst so richtig beginnen! Es geht also um mehr, als um die Flüchtlingspolitik, es geht um die Kultur! Es ist ein Kampf zwischen denen, die die Entwicklung wieder rückgängig machen möchten und denen, die für eine offene, liberale und progressive Gesellschaft und Kultur stehen. Da hilft eine „Schwarze Null“ im Haushalt nicht weiter und geringe Arbeitslosenzahlen sind schön, aber am Ende nur eine Zahl. Hier aber geht es um Emotionen, um das Gefühl der Menschen, ob es ihre Gesellschaft ist. Es geht letztlich um die Freiheit der Kunst, die verteidigt werden muss!

Und man kann hoffen, dass der Kulturrat mit Olaf Zimmermann das erkannt hat. Man kann nur beten, dass das auch bei den Parteien ankommt! Und die Kulturschaffenden sollten aufhören den Parteien von außen Ratschläge zu erteilen. Sie sollten mitmachen! Warum gibt es so wenige aus dem Kulturbetrieb in den Parteien? Wo sind die Künstler, Museumsdirektoren und Galeristen in den Parteien? Von alleine können Parteien keine gute Kulturpolitik machen, das muss schon aus dem Kulturbetrieb heraus kommen. Sonst bekommen wir in der Kultur Gegenwind, der zu einer Renaissance der 50er Jahre führt. Prost Mahlzeit!

Text: Mathias Fritzsche
Externer Link: Deutscher Kulturrat

Über Mathias Fritzsche 113 Artikel
Ein Thema jagt das nächste: Der Wochengipfel hält ein oder zwei Themen fest und bringt sie in Erinnerung. Was war vergangene Woche so wichtig, dass man Schnappatmung bekam und ist diese Woche dennoch schon vergessen? Oder über welche Nachricht hat man sich so gefreut, dass man auf den Balkon ging und die Nachricht für die ganze Welt in den Abendhimmel geschrien hat?

1 Kommentar zu Wochengipfel | Es geht um die Freiheit der Kultur!

  1. Wahrlich ein sehr passender Kommentar schlussendlich zu einem sehr erschreckenden gesellschaftlichen status quo. Tatsächlich wäre das Interesse an mehr Mitsprache notwendig; aber eben nicht nur in und für die Politik.

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