Oskar Kokoschka im Museum der Moderne Salzburg

Museum der Moderne Salzburg | bis zum 17.2.2019

Ein Wilder im Sturm der Zeit

Der Maler und Grafiker Oskar Kokoschka zählt neben den jung verstorbenen Richard Gerstl und Egon Schiele zu den wichtigsten Protagonisten des österreichischen Expressionismus. Kokoschka bekannte sich zu den europäischen Wurzeln und nahm Maß an den Griechen und deren individualisierendem Menschenbild mit seinen geistig-seelischen Offenbarungen. Als Kind erhielt Kokoschka von seinem Vater zwei Bücher, die ihn in seinem weiteren Leben künstlerischen prägen sollten: die „Odyssee“ von Homer und „Orbis pictus“ von Comenius. So begann sich bereits in frühen Jahren der Eindruck eines Menschenbildes zwischen den Polen Zerstörung und Krieg einerseits und dem Zyklus der Welt und Menschwerdung andererseits zu festigen. In der „Schule des Sehens“, welche er 1953 mit dem Galeristen Friedrich Welz auf der Festung Hohensalzburg gründete, verfolgte Kokoschka mit einer japanischen Technik das Ziel, Studien aus Bewegungsabläufen durch kurze und intensive  Beobachtung anzufertigen, und übte so das Gedächtnis, die Memory.

1908 beauftragte ihn die Wiener Werkstätte mit der Gestaltung eines Kinderbuches, so entstand die Publikation „Die träumenden Knaben“. Texte und Illustrationen aus Farblithografien zeugen von der Sehnsucht der ersten Liebe, dem Erwachsenwerden und der Sehnsucht nach fremden Ländern. Kokoschka, der für die Wiener Werkstätte auch Kunstpostkarten in Anlehnung an den Jugendstil anfertigte, kritisierte den „fehlenden Menschen“ im Jugendstil, der den Ornamenten und dekorativen Elementen zu weichen hätte. So „schmuggelte“ Kokoschka, schon bald durch seine Signatur OK genannt, Menschen und Lebewesen in seine Darstellung hinein und folgte damit seinem griechischen, humanistischen Ideal. 1909 folgte die Uraufführung seines Dramas: „Mörder, Hoffnung der Frauen“. OK schrieb es 1907 für das Gartentheater der Wiener Kunstschau. Heute gilt es als Pionierwerk und Klassiker der expressionistischen Bühnenkunst. Der darin dargestellte gewalttätige, fast archaische Geschlechterkampf mündet in den befreienden Tod der Frau. Das Werk wurde ein Skandal und OK von der Öffentlichkeit verfolgt und angefeindet. 1910 gründete Herwarth Walden die revolutionäre Zeitung „Der Sturm“. Das expressionistische Blatt verstand sich als Publikation einer avantgardistischen Kunstrichtung und vereinte Schriftsteller, Musiker und Bildende Künstler. Auch hier war der Rebell OK federführend und brachte seine Lithographien und Porträts prominent auf Titelseiten. Aufgrund der schicksalhaften wie unglücklichen Beziehung zu Alma Mahler meldete sich der Künstler 1915 als Freiwilliger zum Kriegsdienst und kam schwer verwundet zurück. Seine Erlebnisse machten ihn zum Pazifisten. Er flüchtete 1938 als „entarteter Künstler“ nach London ins Exil. 1945 lässt OK in der Londoner U-Bahn sein Plakat Christus hilft den hungernden Kindern als Aufruf zur Hungerhilfe anschlagen. Dieses und weitere 210 Lithographien und Radierungen zeigt das Museum der Moderne in Salzburg. Die Präsentation der druckgrafischen Werke verweist auf Kokoschka künstlerische und biografische Lebensstationen – darunter das Plakat „Pietá“ (1909) seines Dramas „Mörder, Hoffnung der Frauen“, welches zu einem Symbolbild des Expressionismus und der Moderne avancierte.

OK sagte man nach, er könne dem Menschen unter die Haut sehen und hätte die visionäre Kraft und Fähigkeit, in die Seele seiner Modelle zu blicken. In seinem umfangreichen Werk als Maler, Grafiker und Schriftsteller hinterließ der expressionistische Einzelgänger markante Spuren. Kokoschka sah Künstler als warnende Hände, welche Zeichen geben müssen, wenn dem Menschen Unterdrückung widerfahre oder seiner Freiheit – etwa durch politische Machtverhältnisse – Einschränkungen drohen. Er starb 1980 fast vierundneunzig jährig in Montreux.

Andreas Egger ist ein in Linz lebender freier Autor von kunst:art.

Oskar Kokoschka. Das druckgrafische Werk im Kontext seiner Zeit
10.11.2018 – 17.2.2019
Museum der Moderne Salzburg
Mönchsberg
Mönchsberg 32
A-5020 Salzburg
Tel.: +43-662-842220
Di – So 10 – 18 Uhr, Mi 10 – 20 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 6 €
www.museumdermoderne.at

Text: Andreas Egger | Erstveröffentlichung kunst:art 64
Bild: Museum der Moderne Salzburg