Fixsterne und ihre Satelliten

Verlängert bis: – 30.5.2021 | Neues Museum Nürnberg

Wer malt denn heute eigentlich noch? Ob Fotografie, Film, Fernsehen, Internet oder Social Media – mit der fortschreitenden Technisierung der Bildmedien wird immer wieder der Tod der Malerei beklagt. Gleichwohl hat das Genre trotz aller Veränderungen nichts an seiner Bedeutung für die Kunst eingebüßt. Das stellt das Münchner Brandhorst Museum in seinen Ausstellungen seit über einem Jahrzehnt immer wieder eindrucksvoll unter Beweis. Keine andere Institution in Deutschland hat den Diskurs um die Gegenwart und Zukunft der Malerei so konstant vorangetrieben. Rund vierzig herausragende Werke aus den umfangreichen Beständen des Museums Brandhorst sind nun in Nürnberg zu sehen. Als schillernde Fixsterne fungieren die beiden Heroen der Malereigeschichte des 20. Jahrhunderts Andy Warhol und Cy Twombly.

Um diese an ihren Enden zugleich konzeptuelle wie gestische Achse kreisen 15 unterschiedlichste Positionen zeitgenössischer Kunst. Reproduktion und Repetition sowie das scheinbar unvermittelt Gestische lassen sich auch als Strategien dieser Künstler erkennen, die damit Themen wie Macht- und Geschlechterverhältnisse, Subjekt und Kapitalismus oder künstlerische Produktion und Repräsentation im Hinblick auf digitale Technologien ergründen. Die Prinzipien der Aneignung und Wiederholung und mit ihnen das Unterwandern künstlerischer Grundwerte wie Originalität und Autorschaft hat wohl niemand so eingesetzt wie Andy Warhol.

Die Unsicherheit über den Status von vervielfältigten bildlichen Zeichen kennzeichnet auch die Wiederholungsstrategien weiterer Positionen. Sturtevant gilt als Hauptvertreterin der sogenannten Appropriation Art. Ihre Arbeit Warhol Black Marilyn (2004) zeigt jedoch, dass die Aneignung fremder Kunstwerke nicht deren bedingungslose Nachahmung bedeutet. Guyton\Walker, eine Künstlerpersona, zu der sich Wade Guyton und Kelley Walker zusammengefunden haben, reproduziert im digitalen Copy-Paste-Verfahren ihr eigenes Motivvokabular und verschmilzt es durch Aufdrucke auf Tische und Matratzen mit dem Prinzip des Readymade. Versatzstücke aus den Technologien unseres Informationszeitalters finden sich in den Computerbildern von Albert Oehlen und den von Emojis übersäten Bildern Jacqueline Humphries’.

Josh Smith schickt seine Bildsujets durch den Expressionsfilter und entzieht durch die Vervielfältigung dem malerischen Gestus die persönliche Aufladung. Dass das Anbringen von Schrift oder die Suggestion derselben eine Lesbarkeit und damit ein inhaltliches Verstehen zwar in Aussicht stellt, aber nicht einlösen muss, führt Cy Twombly vor und hält damit den malerischen Ausdruck zwischen Abstraktion und entzifferbarer Darstellung in der Schwebe. Eine ähnliche Reflexion über die Lesbarkeit piktorialer Zeichen verfolgen auch Künstlerinnen wie Amy Sillman oder Nicole Eisenman. Gerade die unterschiedlichsten Arbeiten der vertretenen Künstlerinnen, vor allem Jana Eulers Darstellungen phallisch emporschnellender Haie, können als ironische wie selbstbewusste Weiterschreibungen eines vormals männlich dominierten Kanons der Gegenwartskunst gelten. Wer malt denn heute eigentlich noch? In Nürnberg gibt es die eindrucksvollen Antworten.

 

 

Painterly. Von Warhol und Twombly bis heute
23.10.2020 – 30.05.2021
Neues Museum Nürnberg
Luitpoldstr. 5
D-90402 Nürnberg
Tel.: +49-911-2402069
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 6 €
www.nmn.de

Text: Stefan Simon
Bild: Neues Museum Nürnberg
Erstveröffentlichung in kunst:art 76