Am 18. Juli 2020 starb der 1941 in Louisiana geborene Künstler Keith Sonnier. Und nun, mehr als ein Jahr nach seinem Tode, richtet das Neue Museum Nürnberg die erste Retrospektive des Schaffens des aus einer französischsprachigen Gemeinschaft in den amerikanischen Südstaaten stammenden Künstlers unter dem Titel „Lightsome“ (Lichtblick) aus.
Der Titel der Ausstellung ist bedeutsam, ist doch Sonnier einer der ersten Künstler, der den Umgang mit dem Werkstoff Neon-Licht als künstlerisches Medium eingeführt hat, angelehnt an und angeregt durch die Neon-Lichtreklame. Ab 1912 war das Neonreklamezeichen massenhaft für das Nachzeichnen symbolhafter Werbeembleme oder Schriftzüge weltweit eingesetzt worden, doch erlitt diese Mode einen Einbruch Ende der 60er-Jahre des vorigen Jahrhunderts, während gleichzeitig die dünnen formbaren Neonröhren von Künstlern im Rahmen ihrer ganz unterschiedlichen künstlerischen Konzepte als ideales Ausgangsmaterial entdeckt wurden, um mit ihnen Lichtgebilde aus einzelnen Worten, Sätzen oder ganzen Bildern zu schaffen.
Ein wesentlicher Protagonist dieser Neon-Lichtkunst war von Anbeginn Keith Sonnier. Im Jahr 1969 beginnt Sonnier die für ihn sehr bedeutsame Werkserie der „Ba-O-Ba“, aus welcher vier Installationen in der Ausstellung „Lightsome“ zu sehen sind. Die Titelgebung dieser Serie lässt sich auf eine Reise Sonniers nach Haiti zurückführen. Die Bezeichnung wurde dort als Schriftzug auf einem Boot gefunden. Sie entspringt der französisch-haitianischen Umgangssprache, beschreibt die Wirkung von Licht und kann mit „Mondschein über dem Meer“, „Mondschein auf der Haut“ oder auch „Licht- bzw. Farbbad“ übersetzt werden. „Seherfahrungen und physikalische Phänomene in ‚einer‘ Erscheinungsform wahrnehmbar zu machen und durch Positionsveränderung der Sehweise, ein Abfärben, zu erreichen“, fasst Keith Sonnier sein Anliegen zusammen.
Bei den frühesten Arbeiten dieser Werkgruppe setzt Sonnier runde Glasscheiben ein, die mit zwei längeren und zwei kürzeren Neonlinien in Dialog treten. Sonnier spielt mit den geometrischen Formen, den Spiegelungen und den Interaktionen, die sich im Werk selbst, mit dem Raum und mit den Betrachtern ergeben.
In der Arbeit „Ba-O-Ba VI“ kommt das Material Schaumstoff hinzu. Ein Stoff, den Sonnier aufgrund seiner Eigenschaften, einfach, günstig und verformbar zu sein, sehr schätzt. Zudem schreibt Keith Sonnier diesem Stoff eine „perverse“ Eigenschaft zu, die ihn fasziniert.
Insofern bezieht sich der Titel „Lightsome“ auf Sonniers bekannteste Werke, die vielen Neonarbeiten, die sein gesamtes Œuvre prägen. Die Ausstellung möchte aber auch zeigen, dass Sonnier ein ausgesprochen undogmatischer Künstler war, bei dem es, neben seiner Lichtkunst, sehr viel mehr zu entdecken gibt.
So bieten weit über sechzig Arbeiten, von den 1960er-Jahren bis in unsere Gegenwart, Einblick in alle Schaffensperioden Sonniers. Noch während seines Studiums war er Teil der Bewegung der New Sculpture (Neuen Skulptur), die durch kunstferne Materialien die traditionelle Bildhauerei infrage stellte, und in den 1970er-Jahren revolutionierte Sonnier die Video-Kunst als kommunikatives und performatives Medium.
Bence Fritzsche ist Chefredakteur von atelier, der Zeitschrift für Künstlerinnen und Künstler.
Keith Sonnier. Lightsome
15.10.2021 – 6.2.2022
Neues Museum Nürnberg
Luitpoldstr. 5 (Eingang Klarissenplatz)
D-90402 Nürnberg
Tel.: +49-911-2402069
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 6 €
www.nmn.de
Text: Bence Fritzsche
Bild: Neues Museum Nürnberg
Erstveröffentlichung in kunst:art 82