Ein Kommentar von Mathias Fritzsche
Auch heute noch werden Frauen in Europa diskriminiert. Sie erhalten weniger Lohn, sind seltener in Führungspositionen, Medikamente sind meist auf Männer abgestimmt und es kommen noch viele Dinge aus dem Berufsleben, dem privaten Leben und dem öffentlichen Leben hinzu. Selbstverständlich gehört zur Wahrheit auch, dass es um die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau besser steht als vielleicht jemals zuvor.
Denn Frauen dürfen wählen, sie dürfen selbstständig ein Konto eröffnen, sie dürfen auch in der Ehe selbstständig entscheiden, ob sie arbeiten möchten und sogar, ob sie mit ihrem Mann Sex haben wollen. All das war noch vor wenigen Jahrzehnten anders! OK, das mit dem Wählen ist sogar schon seit gut hundert Jahren möglich.
Frauen waren lange aus Teilen des Lebens ausgeschlossen. Sie durften nicht studieren, nicht zum Militär, nicht in die Politik und kaum in die Wirtschaft. Auch in der Kunst waren Frauen kaum vertreten. Erst nach und nach erkämpften sich Frauen mitunter erst im 20. Jahrhundert ihre Teilhabe am Leben.
Dieses Ausgeschlossensein wollte ein Museum auf der australischen Insel Tasmanien Männern vorführen und es sie am eigenen Leibe spüren lassen. Das MONA (Museum of Old and New Art), das größte Privatmuseum Australiens, hat seine besonderen Schätze in einer Ausstellung präsentiert, die nur Frauen zu betreten erlaubt war. In der „Ladies Lounge“ bekamen Frauen von männlichen Butlern Champagner serviert und waren beim Betrachten der Kunst unter ihresgleichen. Männer mussten draußen bleiben.
Natürlich kann man vortrefflich darüber streiten, ob eine Diskriminierung durch eine gegenteilige Diskriminierung besser wird. Doch es geht hier ja um eine Erfahrung, die Männer machen sollen, um die ewig andauernde Diskriminierung der Frauen zumindest dem Grundsatz nach teilen zu können. Einmal sollen Männer draußen bleiben müssen und nicht mitmachen dürfen.
Ein Mann war damit gar nicht einverstanden und ging vor Gericht. Er fühle sich diskriminiert, denn schließlich habe er ja den vollen Preis bezahlt und dürfe nur deshalb nicht alles sehen, weil er ein Mann sei. Dass er damit den Nagel auf den Kopf getroffen hat und genau das das Konzept der Ausstellung war, … geschenkt! Nichtsdestotrotz hat der Richter ihm Recht gegeben und die gewollt diskriminierende Praxis für Unrecht erklärt. Das Museum dürfe so nicht weiter verfahren.
Wie es scheint, macht das Museum das auch nicht. War die Ausstellung zuvor Teil des Hauses und im Eintritt inbegriffen, so können nun Frauen den Einlass in die begehbare Installation extra bezahlen und dort „Tea for Two“ erhalten. Das Angebot gilt zumindest bis April 2025, wenn dem nicht wiederum ein Gericht widerspricht.
Egal, wie man nun diese Ausstellung oder die begehbare Installation bewertet, die Erfahrung des Ausgeschlossenseins, die Männer an dieser Stelle machen, ist so gering, dass man das gar nicht vergleichen möchte. Nun darf man auch nicht vergessen zu erwähnen, dass drei Jahre lang die Ausstellung ohne Hindernis lief und alles gut ging.
Doch ist es in Ordnung, dass man eine bestimmte Gruppe von einer speziellen Ausstellung ausschließt? Normalerweise zieht man nun den Gegenvergleich heran: Wäre es in Ordnung, wenn man eine Ausstellung nur für Weiße öffnet, damit diese ohne schlechtes Gewissen Bilder aus dem Kolonialismus anschauen können, oder nur für Männer, damit diese in Ruhe Frauenakte genießen dürfen? Natürlich haben diese Vergleiche Schwächen hinsichtlich der Motivation der Diskriminierung. Im gegebenen Fall geht es ja gerade darum, Männern die Erfahrung des Diskriminiertseins nahezubringen. Es ist also ein Grenzfall!
Doch zweierlei hat diese Ausstellung auf jeden Fall erreicht: Erstens beschäftigen wir uns anhand dieser Ausstellung mit Situationen, in denen Frauen ausgeschlossen wurden und teilweise auch heute noch ausgeschlossen werden. Und zweitens war das marketingtechnisch ein toller Clou: Wir kennen jetzt alle das MONA, das Museum of Old and New Art. Wer nach Süd-Australien reist, der möchte nun bestimmt auch dieses Museum besuchen und die Insel Tasmanien sowieso.
Text: Mathias Fritzsche
Erstveröffentlichung in kunst:art 97