Wenn Politiker die Schere in der Hand haben …

Kommentar von Mathias Fritzsche

Ein Kommentar von Mathias Fritzsche

Vermutlich haben die meisten schon davon gehört: Die CDU-Ratsfraktion der Stadt Osnabrück fordert
die Kunsthalle Osnabrück auf, eine laufende Ausstellung zu schließen. Gleichzeitig fordert sie die
Menschen dazu auf, die Ausstellung zu boykottieren.

Theoretisch könnte man nun die Ausstellung und die Künstlerin besprechen und überlegen, ob das alles
denn wirklich so schlimm sei, oder ob die CDU einfach nur hyperventiliert. Das soll hier aber nicht
geschehen. Denn bereits damit würde man anerkennen, dass Parteien ein geeignetes Korrektiv für
Kunst seien. Das Problem ist: Das sind sie eben nicht!

Man kann vortrefflich über gute Kunst und schlechte Kunst debattieren. Dabei spielt selbstverständlich
auch Geschmack eine Rolle. Ein Kunstwerk kann gut gemacht sein, aber den Geschmack des
Betrachtenden nicht treffen. Oder auch schlecht gemacht sein, aber den Geschmack des Betrachtenden
genau treffen. Und so weiter und so fort.

Natürlich dürfen auch Politiker dazu ihre Meinung haben und sie können diese auch gerne kundtun. Was
aber gar nicht geht: irgendwelche Forderungen zu stellen! Denn es gibt nur einen Grund, warum eine
Ausstellung geschlossen werden müsste: wenn die Ausstellung gegen das Gesetz verstößt. Und in
einem solchen Fall bedarf es keiner Forderungen. Das wäre dann ein Fall für Polizei und
Staatsanwaltschaft. Davon, das scheint ja auch die CDU Osnabrück, die bei den letzten
Kommunalwahlen ordentlich gerupft wurde, nicht zu bestreiten, sind wir in der Kunsthalle Osnabrück
weit, weit entfernt.

Jetzt mag man es noch nicht so schlimm finden, wenn eine Partei die Schließung einer zeitgenössischen
Kunstausstellung fordert. Denn schließlich darf man ja noch seine Meinung sagen, es herrscht ja
schließlich Meinungsfreiheit. Doch hier geht es um mehr:

  • Die Politik bestimmt über die Gelder für die Kultur, und damit auch über Gelder, die an die Kunsthalle
    Osnabrück gehen. Wenn dann aus der Politik die Forderung nach Schließung einer Ausstellung gestellt wird, dann ist das mehr als eine harmlose Meinungsäußerung …
  • Und wo soll da die Grenze gezogen werden? Werden das nächste Mal „Wünsche“ geäußert, was die
    Kunsthalle zeigen soll? Oder aus der Bundespolitik kommt die Forderung, dass ein bestimmter Journalist
    aus dem Fernsehprogramm entfernt wird?

Möglicherweise liegt das Problem noch tiefer: So fragt die CDU-Ratsfraktion Osnabrück empört, wie es
denn sein könne, dass eine solche Ausstellung überhaupt genehmigt werden konnte? In der Tat, so fragt
man sich, warum ist denn der Zensor nicht eingeschritten, als der Antrag auf Ausstellungsplanung auf
seinem Tisch lag? Es war halt nicht alles schlecht, was …, nein, lassen wir das!

Vermutlich benötigt die Ratsfraktion der CDU Osnabrück einfach etwas Nachhilfe bezüglich Kultur, Kunst
und dem Verhältnis von Politik und Kunst. Auch wenn die Kunsthalle in Osnabrück durch die Stadt
Osnabrück finanziert wird, so hat weder die CDU-Bürgermeisterin noch die CDU-Fraktion ein inhaltliches
Mitspracherecht.

Die Kunstfreiheit hat, in gewissen strafrechtlichen Grenzen, Bestand und das ist auch gut so. Parteien
am rechten Rand möchten das gerne ändern und das ist gar nicht gut. Dass aber nun eine Gliederung
der CDU dieses Spielchen mitspielt, das ist keine gute Nachricht. Hoffentlich liegt es daran, dass mit der
CDU-Ratsfraktion Osnabrück eine Mischung aus Inkompetenz und Verlustangst zu einer kurzfristigen
Entgleisung geführt hat, die schon bald allen Beteiligten höchst peinlich ist.

Text: Mathias Fritzsche
Erstveröffentlichung in kunst:art 98

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Ein Thema jagt das nächste: Der Wochengipfel hält ein oder zwei Themen fest und bringt sie in Erinnerung. Was war vergangene Woche so wichtig, dass man Schnappatmung bekam und ist diese Woche dennoch schon vergessen? Oder über welche Nachricht hat man sich so gefreut, dass man auf den Balkon ging und die Nachricht für die ganze Welt in den Abendhimmel geschrien hat?