Als es darum ging, die „bröckelnde Münchener Akademie“ zu renovieren und auszubauen, musste sich sich der damalige Rektor der Akademie, Ben Willikens, als Bauherr um diese – im Gegensatz zu seinen selbst geschaffenen fiktiven Räumen – ganz realen Steine kümmern. Der Maler, der in seiner wohl bekanntesten Arbeit das Abendmahl von Leonardo da Vinci aus der Kirche Maria delle Grazie in Mailand neu, und zwar geleert, interpretiert hatte, verstand sicherlich mehr von der Tilgung der um Jesus versammelten Jünger als von der Renovierung einer Kunstschule, die ursprünglich für 300 Studenten gedacht gewesen war und, als Willikens Rektor wurde, weit über 1000 hatte. Doch der Künstler löste das Problem bravourös. Und man muss an einige seiner großen Bühnenbilder denken, die ausschlaggebend waren für die Raumwahrnehmung eines Theater- oder Musikstückes.
Willikens‘ Version des Abendmahls waren die Gegenräume vorausgegangen, die sein einstiger Kollege an der Münchener Akademie, Walter Grasskamp, trefflich charakterisiert: „Die ‚Floß’-Serie war eine schlüssige malerische Reaktion auf eine gravierende Veränderung seiner Lebenslage, genauso, wie es Jahrzehnte zuvor die ‚Anstalts’-Bilder gewesen waren. Die Bilder von Willikens sind immer biographischer, als man es ihnen ansieht oder ansehen soll.“ In Sindelfingen sind jetzt in einer umfangreichen Retrospektive mehr als hundert Arbeiten ausgestellt, neben dem Abendmahl (1976/79) auch seine surreal anmutenden Zeichnungen der 1960er-Jahre. Die Ausstellung schließt mit einer neuen Werkgruppe, die den Lockdown thematisiert.
Ben Willikens. Raum und Gedächtnis
22.5.2022 – 12.2.2023
SCHAUWERK Sindelfingen
Eschenbrünnlestr. 15
D-71065 Sindelfingen
Tel.: +49-7031-9324900
Di + Do 15 – 19 Uhr, Sa – So 11 – 17 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 5 €
www.schauwerk-sindelfingen.de
Text: Dr. Milan Chlumsky
Bild: SCHAUWERK Sindelfingen
Erstveröffentlichung in kunst:art 85
