Es ist schon drollig, dass sich nun alle Feuilleton-Journalisten zu Wort melden und viele von ihnen – egal ob sie Jan Böhmermann nun verteidigen oder nicht – ihn quasi auf eine Stufe mit Stefan Raab stellen. Häufiger Tenor gegen Jan Böhmermann: Er mache sich auf Kosten anderer einen Spaß und benutze bevorzugt Fäkalhumor. Beides ist grundlegend falsch (der Vergleich mit Raab sowieso) und zeigt auf, dass sich das Feuilleton offenbar zu fein ist, um sich mit Jan Böhmermann ernsthaft zu beschäftigen. Vermutlich sind sogar viele ungehalten, dass sie sich mit diesem dünnen, blassen Mittdreißiger auseinandersetzen müssen. Richtig ist, und das muss auch mal klargestellt werden, dass Jan Böhmermann sich zwar über andere lustig macht, aber dafür – im Gegensatz zum anderen Kölner, nämlich Stefan Raab – sich immer vermeintlich stärkere Gegner aussucht (Till Schweiger, Podolski, Bushido, AfD und viele andere stehen auf seiner Liste!). Böhmermanns „Opfer“ sind nicht die Leute auf der Strasse. Und Fäkalhumor ist auch nicht die Sache Böhmermanns, der sehr geschickt auf verschiedensten Ebenen jonglieren kann. Aber im Notfall ist er sich auch nicht zu fein dafür, ganz tief in die Klamauk-Kiste zu greifen! Es gibt halt gute Gründe, warum Böhmermann bereits zum zweiten Mal den Grimmepreis gewonnen hat und nun auch noch den Sonderpreis der Volkshochschullehrer erhalten hat.
Jan Böhmermann ist hier in Köln-Ehrenfeld quasi unser Nachbar, etwa 100 m entfernt in unserer Parallelstraße wird das „NEO MAGAZIN ROYALE“ produziert. Da ist es also nur selbstverständlich, dass ich mich gerne und ausführlich mit seinen Sendungen und seinem Humor beschäftige. Und es gefällt mir natürlich besonders gut, wenn er mit dem Slogan „Aus Ehrenfeld mit Love“ wirbt. Aber jetzt ganz aktuell ist natürlich das Erdogan-Gedicht alles andere überstrahlend.
Ich möchte an dieser Stelle nicht – wie viele Kollegen es tun – sagen, was ich von dem Gedicht „Schmähkritik“ losgelöst aus seinem Zusammenhang halte, weil das keine Rolle spielt. Ich möchte vielmehr – ohne es genau zu wissen – vermuten, was Jan Böhmermann selbst davon hält: Ich bin überzeugt davon, dass er es widerlich, abartig und grotesk findet! Bis auf den Herrn Döpfner vom Springer-Verlag sieht das wohl auch fast jeder Mensch so. Und das ist auch gut so, tut im Prinzip aber nichts zur Sache. Warum? Naja, weil es eben den Zusammenhang, den Kontext gibt. Und der ist entscheidend!
Der Beitrag vor etwa zehn Tagen hat schon jetzt Erstaunliches geleistet: Die Bundesregierung wurde vom blassen, langen Ehrenfelder düpiert. Der extra3-Beitrag wurde entlarvt, als das, was er eigentlich ist: provinziell und langweilig. Viele Kommentatoren des Feuilleton – insbesondere von FAZ und Cicero – wurden kalt erwischt, da sie über etwas schreiben mussten, wovon sie keine Ahnung haben. Am besten ist am Ende noch fast Erdogan selbst weggekommen, da er auch gar nicht das primäre Ziel des Beitrags war. War Varoufake ein Mediencoup, so ist die Schmähkritik ein Lehrbeispiel auf viele Jahre hinaus.
Wir sind mit unserem Urteil immer schnell bei der Hand. Wie muss eine gute Satire gemacht sein? Fast jeder hat da seine Meinung, die schnell zu einem Qualitätskriterium umgemünzt wird. Ich kann nicht sagen, wie die ideale Satire aussehen muss. Ich denke mir aber, dass die Wirkung recht entscheidend sein kann: Satire sollte überraschen. Außerdem sollte sie nicht gefällig sein. Je mehr sie aneckt und je schärfer sie ist, desto besser. Naja, es passiert selten, viel zu selten, aber Satire darf gerne auch Diskussionen in Gang bringen. Und, merken Sie was? Ja, das trifft alles auf Böhmermanns Schmähkritik zu.
Text: Mathias Fritzsche | Bild: ZDF/NEO
Externer Link: NEO MAGAZIN Royale
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