„Was ist ein Raum?“ Diese Frage ist uralt und dennoch geben Wissenschaft und Philosophie darauf keine eindeutige Antwort: Wir können den Raum messen, aber er bleibt etwas Unbegreifliches. Für den Menschen ist er existentiell, denn von Anbeginn seines Lebens umgibt ihn Raum wie eine „zweite Haut“. Die Ausstellung „Räume der Anderen“ in der Villa Streccius Landau spielt mit der grandiosen Totalkategorie das Raumes, die alle Sinne des Menschen umfasst: Raum ist Gefühl, Raum ist Stimmung, Raum ist Poesie, Raum ist Schönheit, Raum ist Erinnerung und manchmal sogar Heimat.
Raum hat neben einer emotionalen vor allem eine geistige, konzeptionelle Dimension. Der Theologe und Kunstwissenschaftler Friedhelm Mennekes ordnet das Phänomen Raum deshalb in drei Kategorien: Bewußtseins-, Vorstellungs, – und künstlerischer Raum. Der erste konkretisiert sich als Produkt momentaner Eindrücke, Gedanken, Ahnungen und Erinnerungen. Er ist die innere Welt des Menschen, sein ganz „persönlicher Gefühlsraum“. Der Vorstellungsraum betrifft den gesellschaftlichen Kontext; hier sind die mythologischen, religiösen oder historischen Bilder und Symbole gespeichert. Im künstlerischen Raum ordnet der Mensch kreativ seine Erfahrungen und er findet zu sich selbst. Raum ist also komplexe anthropologische Gegebenheit, ohne die sich der Mensch nicht „erden“ kann.
Alles das klingt an in der Ausstellung „Räume der Anderen“. Es geht um die Phänomenologie des gelebten und erlebten Raumes, um sichtbare Realität, aber auch um atmosphärische Innenwelten. Nehmen wir zum Beispiel die mystischen Bootfiguren von Dorothée Aschoff neben den „Steinstrand“ von Lars Möller: Das konkrete Bild von Meer und räumlicher Weite assoziiert plötzlich den transzendenten Lichtraum ohne Begrenzung- Einsamkeit! Vergänglichkeit! Unendlichkeit! Oder ein anderes Beispiel aus der Ausstellung: Der Raum mit dem stillen „Park“ von Jochen Hein, der von venezianisch anmutenden Fayence- Figurinen der Karlsruher Künstlerin Eva Schaeuble begleitet wird. Das ist wie ein Eintauchen in die Welt der Synästhesie: Man erinnert sich vielleicht an den Geruch des Herbstes, an den verwehten Klang eines Musikstückes oder vielleicht an den zärtlichen Abend, damals im Park. Man sieht: Raum ist evokativ. Immer verschieden, immer einzigartig! Raum kann Geborgenheit schenken, aber auch Ängste wecken. Während der Mannheimer Künstler Dietmar Brixy gestische Gefühlslandschaften zaubert, ist Raum bei Marina Sailer die Verheißung von Glück. Bei den Sepia-Fotografien des Oskar-Schlemmer-Preisträgers Elger Esser ist Raum Sehnsucht pur und bei Jörg Bach wird Skulptur zur „Entdeckungsreise im Raum“
Mit 16 unterschiedlichsten künstlerischen Positionen von Malerei, Skulptur über Fotografie bis zur Videoinstallation nimmt die Ausstellung den Besucher mit auf eine faszinierende Reise durch Erlebnisräume im besten Sinn des Wortes: Immer anders, immer neu! Edite Grinberga zeigt gemalte Raumpoesie, Isa Dahl gestische Raumknäuel, Stefan Bircheneder ein atemberaubendes Memento Mori, Bénédicte Peyrat inszeniert skurriles Arkadien, von Lars Reiffers gibt es brillante Weltpanoramen, von Franziska Schemel Architekturimpressionen und von Monika Schmid schwebende Geschöpfe im Raum. Besonders reizvoll ist der spannende Mix aus renommierten und jungen Positionen wie zum Beispiel die beiden aktuellen Pfalzpreisträgerinnen Sarah Mock und Andrea Grützner. So entstehen Sehnsuchtsorte, Bilder der Vergänglichkeit, zarte Augenblicke und auch ganz große barocke Oper. In zwei Ausstellungsepisoden entstehen in Harmonie mit der Museumsarchitektur räumliche Sequenzen vielschichtiger Erfahrungen. Ein opulentes Fest für die Sinne!
Teil II der Ausstellung “Räume der Anderen” läuft vom 23. März bis 06. Mai 2018 in der Villa Streccius.
Text: Städtische Galerie Villa Streccius | Foto: Städtische Galerie Villa Streccius
Externer Link: Städtische Galerie Villa Streccius
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