Von der Kunstgeschichte übersehen

Kunsthalle Vogelmann | 11.11.2018 – 7.4.2019

Käthe Kollwitz, Frau mit Kind im Schoß, um 1911 (Foto Sasa Fuis, Köln, Käthe Kollwitz Museum Köln)

Deutsche Bildhauerinnen in der Kunsthalle Vogelmann Heilbronn

Marmor, Hammer, Stechbeitel: Weil oft tonnenschweres Material und kraftaufwändiges Handwerk im Spiel war, galt die Bildhauerei lange Zeit als die „unweiblichste aller Künste“. Kein Wunder, dass Frauen noch im 19. Jahrhundert kaum Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten in diesem Bereich fanden. Eine Ausnahme bildete Elisabet Ney (1833– 1907), die an den Kunstakademien in München und Berlin studierte und sich dann mit einem eigenen Atelier selbstständig machte. Sie schuf Porträts von Schopenhauer oder Ludwig II. und emigrierte später in die USA.

Als Pioniergestalt bildet Ney mit einem Porträt von Bismarck den Auftakt zur Ausstellung „Bildhauerinnen – Von Kollwitz bis Genzken“ in der Kunsthalle Vogelmann in Heilbronn. In der umfangreichen Schau, die in den letzten drei Jahren von den Städtischen Museen Heilbronn sowie dem Gerhard-Marcks-Haus und den Museen Böttcherstraße in Bremen vorbereitet wurde, sind etwa 100 Werke von 50 deutschen Künstlerinnen zu sehen, die im 20. Jahrhundert tätig und zum Teil durchaus erfolgreich waren.

Doch während Käthe Kollwitz (1867–1945), die zusammen mit Clara Westhoff-Rilke (1878– 1954) zu den ersten Vertreterinnen moderner Plastik gehörte, Einzug in den Kanon der Kunstgeschichte hielt, rückten Künstlerinnen der darauf folgenden Generation wie Renée Sintenis (1888–1965) oder Emy Roeder (1890–1971) erst vor kurzem wieder in den Fokus von Experten. Dabei waren sie während der Weimarer Republik vom Publikum gefeiert worden. Tatsächlich gab es laut Marc Gundel, dem Leiter der Kunsthalle Vogelmann, gerade in der Zeit zwischen 1900 und 1933 eine große Dichte an Bildhauerinnen, von denen viele vollkommen in Vergessenheit gerieten. Insgesamt soll im Zuge des Ausstellungsprojektes, das im Frühjahr 2019 nach Bremen wandert, die Entwicklung von Plastik und Skulptur im Hinblick auf die Rolle solcher Protagonistinnen neu bewertet werden, die trotz eines bedeutenden Œuvres von der kunsthistorischen Forschung übersehen wurden.

Auch nach der Zäsur von 1945 dauerte es lang, bis sich eine junge Gruppe meist abstrakt orientierter Künstlerinnen etablieren konnte. Die erhielt dann allerdings Aufträge im öffentlichen Raum, wo Bildhauerinnen wie Gerlinde Beck (1930–2006), Brigitte Matschinsky-Denninghoff (1923–2011) und Ursula Sax (*1935) eindrucksvolle plastische Spuren hinterließen. Zu den bedeutenden vor dem Zweiten Weltkrieg geborenen Bildhauerinnen gehörte auch Charlotte Posenenske (1930–1985), die die amerikanische Minimal Art in den 1960er Jahren in individuelle, raumgreifende Objekte übertrug und in vielen Sammlungen vertreten ist.

Die chronologisch angelegte, mit thematischen Exkursen versehene Ausstellung endet mit Arbeiten von Rebecca Horn (*1940) und Isa Genzken (*1948), die sich bis heute mit ungewöhnlichen Materialien und installativen Ansätzen selbstbewusst über den klassischen Skulpturenbegriff hinwegsetzen.

Bildhauerinnen. Von Kollwitz bis Genzken
11.11.2018 – 7.4.2019
Kunsthalle Vogelmann
Allee 28
D-74072 Heilbronn
Tel.: +49-7131-564420
Di – So 11 – 17 Uhr, Do 11 – 19 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 5 €
museen.heilbronn.de

Text: Julia Behrens | Erstveröffentlichung kunst:art 64
Bild: Kunsthalle Vogelmann Heilbronn