Zwar feiert das Bauhaus ganz zu Recht dieses Jahr sein hundertjähriges Bestehen, doch auch das Bauhaus fiel nicht vom Himmel, es hat seine Vorgeschichte und seine Inspirationen. Mehr noch: Auch die wichtigsten Bauhaus-Persönlichkeiten haben auf dem Weg zum Bauhaus eine Entwicklung durchgemacht. Ein wichtiger Baustein auf dem Wege zum Bauhaus war die Darmstädter Künstlerkolonie und da besonders die Künstlerhäuser, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts erbaut wurden.
Die Darmstädter Künstlerkolonie ist das Resultat von adeligem Mäzenatentum in Person von Großherzog Ernst Ludwig, der sie 1899 angespornt von seinem Leitspruch „Mein Hessenland blühe und in ihm die Kunst“ gründete und in ihr die Verzahnung von Kunst und Handwerk anpeilte. Unter anderem bekamen Künstler zu günstigen Preisen Parzellen, auf denen sie ein Haus errichten konnten. Anhand dieser kleinen Siedlung sollte die sinnvolle Verbindung von Architektur, Innenarchitektur, Kunsthandwerk und Malerei an konkreten gebauten Beispielen gezeigt werden. Ein Projekt mit Signalwirkung, das bis heute nachwirkt.
In der ersten Phase bis 1901 wurden ein Gemeinschaftshaus (Ernst-Ludwig-Haus) und acht Künstlerhäuser errichtet, wobei sich besonders der Architekt Joseph Maria Olbrich hervortat, da er acht der neun Gebäude begleitete, einige davon komplett alleine, andere mit Inspirationen der Bauherren. Einzig das Haus von Peter Behrens wurde von diesem selbst geplant und gebaut, inklusive der kompletten Einrichtung. Es war das Erstlingswerk des architektonischen Autodidakten. Das Ensemble steht fast komplett noch an seinem Platz, Kriegsbeschädigungen und Renovierungsverunstaltungen wurden inzwischen behoben und zumindest äußerlich sieht alles wieder fast so aus wie vor 120 Jahren. Lediglich das Haus Christiansen wurde im Krieg zerstört und anschließend nicht wieder aufgebaut.
Dass am Ende gerade das Haus, das nicht von einem ausgebildeten Architekten erbaut wurde, am meisten zu überzeugen wusste, rief durchaus einige Kritiker auf den Plan. Doch war es gerade das Erscheinungsbild als Gesamtkunstwerk, das Ineinandergreifen von Architektur, Kunst und Handwerk, das den Zeitgeist zu beeinflussen mochte, das stilprägend wirkte. Mit Peter Behrens war ein neuer Typus von Architekt auf der Bühne aufgetaucht, den es so aus der Architekturausbildung heraus vielleicht gar nicht hätte geben können.
Und in der Folgezeit war es ganz sicherlich auch kein Zufall, dass zwei der späteren Bauhaus-Direktoren, nämlich Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe, bei Peter Behrens arbeiteten. Denn genau das, was Peter Behrens mit seinem ersten Haus spektakulär inszenierte, wurde mit dem Bauhaus institutionalisiert.
Besonders hervorzuheben ist neben dem Mäzenatentum des Großherzogs Ernst Ludwig vor genau 120 Jahren aber auch die Leistung der Stadt Darmstadt, die diesen Schatz pflegte und zugleich als Ansporn für die Zukunft interpretierte. Es ist deshalb sehr zu wünschen, dass die Künstlerkolonie Mathildenhöhe als Ganzes als UNESCO-Welterbe anerkannt wird.
Künstlerhaus – Meisterhaus – Meisterbau
30.6. – 20.10.2019
Institut Mathildenhöhe
Olbrichweg 15
D-64287 Darmstadt
Tel.: +49-6151-132778
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 5 €, erm. 3 €
www.mathildenhoehe.eu
Text: Christian Corvin
Bild: Institut Mathildenhöhe
Erstveröffentlichung in kunst:art 68