Begemanns Blog | Städte an Flüssen und das Fließen der Formen

Zaha Hadid

London wurde hinfort zur Heimatbasis für Zaha Hadid. Nach einem Zwischenspiel – ab 1977 – als Mitarbeiterin des Architekten Rem Koolhaas und seines legendären OMA, des Office for Metropolitan Architecture, machte sie sich selbstständig und gründete in der britischen Hauptstadt ihr eigenes Büro. Mit einer ganzen Anzahl bemerkenswerter Bauten wurde gegen Ende des 20. Jahrhunderts London ohnehin zu einem der wichtigsten Schauplätze moderner Architektur: Genannt sei hier nur Sir Norman Fosters Swiss Re Building.

Es schloss sich eine längere Durststrecke an, während derer Hadids Entwürfe bei Ausstellungen und auf architektonischen Foren brillierten, ohne dass aber konkrete Bauaufträge folgten: Bei den Bauherren überwogen wohl Bedenken, was praktische Nutzbarkeit und nicht zuletzt auch Kosten anging. Beim letzten Punkt ist grundsätzlich zu bemerken, dass hier die Kosten der Errichtung eines Gebäudes immer nur einer der zu berücksichtigenden Faktoren sind, die Unterhaltskosten auf Dauer sind mindestens ebenso gewichtig: Klimatisierung, Beleuchtung, dauernde Gewährleistung der Dichtigkeit der Dächer und so weiter… Das allgemeine Klima jedoch favorisierte damals zunehmend Bauprojekte, mit denen, trotz erheblichen finanziellen Aufwands, visuelle Zeichen gesetzt werden sollten, im urbanen Kontext oder als Schaustücke für beauftragende Unternehmen. So verlor Zaha Hadid zwar Anfang der 1990er den Wettbewerb für den Neuen Zollhof in Düsseldorf, den Zuschlag aber bekam schließlich Frank Gehry, seinerseits ja nun auch kein Vertreter der ökonomischen Kiste. Aber dann, 1993, kam der Durchbruch für Hadids Karriere mit dem ersten realisierten Entwurf, dem schon erwähnten Gebäude für die Werksfeuerwehr des Möbelherstellers Vitra in Weill am Rhein. Deutschland wurde später zu einem zweiten Standort für Zaha Hadid Architects. Die Wahl fiel dabei wieder auf eine Stadt am Fluss, eine Hafenmetropole, nämlich Hamburg. Vom Büro in der dortigen Speicherstadt aus wurden, neben der Londoner Zentrale, zunehmend erfolgreich weltweit immer aufwändigere Bauprojekte konzipiert – und vor allem auch realisiert.

Die Standortwahl, zwei Städte an Flüssen, war da durchaus symbolisch, denn dem Fließen hatte sich die Formsprache der Architektin mit Leidenschaft verschrieben: „Der Fluss der Dinge“, so sagte Hadid einmal, sei ihr das Wichtigste, „die Bewegung, (…) eine nicht-euklidische Geometrie, in der sich nichts wiederholt“. Angestrebt war dabei eine „Neuordung des Raumes“, die nicht zuletzt Menschen, die Nutzer der Bauwerke, in Bewegung bringen sollte. Das ist durchaus doppelsinnig zu verstehen: Hadids komplexe Raumbilder – vom Phaeno in Wolfsburg haben wir schon gesprochen -sind erst richtig wahrnehmbar in der aktiven Bewegung in ihnen und mit der physischen sollte auch immaterielle, psychische, geistige Energie aktiviert werden.

 

Text: Dieter Begemann

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Begemanns Blog: Sternschnuppen An dieser Stelle soll es um ästhetische Sternschnuppen gehen und, wie es die Schnuppen so machen, sollen sie hin und her zischen auf manchmal verblüffenden Kursen – kreuz und quer! Ich konnte (und musste zum Glück mich auch nie) entscheiden zwischen praktisch-bildkünstlerischen und theoretischen Interessen: Ich liebe Malerei und Bildhauerei, begeistere mich für Literatur, bin ein Liebhaber von Baukunst und Design –aber meine absolute Leidenschaft gehört der Gestaltung von Gärten und Autos. Und, eh ich’s vergesse: natürlich dem Film!!

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