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Zaha Hadid | Architektur

Wie man sich wohl fühlt als Bewohner von Zaha Hadids Capital Hill Residence? Von außen schwer zu sagen, immerhin aber fällt auf, dass an die Stelle der überwiegend horizontal geschichteten Raumabfolgen der klassischen Moderne hier eine Höhenstaffelung getreten ist. Diese muss man wohl als implizit hierarchisch beschreiben: Den Blick den Hang hinab öffnen seitlich herumgezogene, riesige raumhohe und schräg gestellte Glasfronten zum Panorama, während in den rückwärtigen Trakten, wo Funktionsräume und Personal untergebracht sind, weitgehend geschlossenen Wände mit nur schmalen Fensterbändern zu bemerken sind. Die programmatischen offenen Grundsätze der Bauhaus-Moderne und ihrer Erben in der Nachkriegszeit waren der jederzeitigen Veränderbarkeit verpflichtet, der Modifikation nicht zuletzt als Antwort auf berufliche und Rollenverschiebungen innerhalb der Bewohner und, philosophisch gesprochen, einem Menschenbild, das den Bewohner, den Hausherrn also, als Primus inter pares auffasst. Davon kann hier im Barvikha Wald nicht die Rede sein: Die herausragende Position der obersten Etage läuft unübersehbar auf die Definition als Kommandobrücke hinaus; wir haben es mit einem Baumaterial gewordenen hierarchischen Herrschaftsanspruch zu tun, der keine Diskussion zulässt. Der Besitzerstolz ist nicht mehr derjenige der Bauherrn von Frank Lloyd Wrights oder Richard Neutras Villen, die sich als Partner und Vermittler der neuen Architektur für breitere Kreise empfanden (und daher gerne ihre Bauten zugänglich machten, mindestens für die Fotografen und Autoren der Bildbeilagen der einschlägigen Magazine), nein, hier residiert ein Herrscher (dass es ein Immobilienimperium ist und (noch?) kein Staat, tut nichts zur Sache). Wer hier wohnt, ist oben, gaaaanz oben angekommen und will dies der Welt demonstrieren!

Oft sind die Bauwerke von Zaha Hadid mit dem Label „futuristisch“ belegt worden und wenn das irgendwo berechtigt war, dann sicher bei diesem Wohngebäude, das, so privat es auch definiert ist, für aktuelle gesellschaftliche Tendenzen steht: einer sozialen Abgrenzung, die man nur mit Mühe als die sprichwörtliche splendid isolation empfinden mag, so viel Arroganz und Kälte atmet darin. Es ist die Architektur einer post-humanen Welt… Trendverlängerung: Kein Wunder, dass sich hier so viele Ähnlichkeiten finden zu Filmarchitekturen des Science Fiction Genres, und zwar gerade solcher Vertreter dieser Gattung, die man als Dystopien ansprechen kann.

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Begemanns Blog: Sternschnuppen An dieser Stelle soll es um ästhetische Sternschnuppen gehen und, wie es die Schnuppen so machen, sollen sie hin und her zischen auf manchmal verblüffenden Kursen – kreuz und quer! Ich konnte (und musste zum Glück mich auch nie) entscheiden zwischen praktisch-bildkünstlerischen und theoretischen Interessen: Ich liebe Malerei und Bildhauerei, begeistere mich für Literatur, bin ein Liebhaber von Baukunst und Design –aber meine absolute Leidenschaft gehört der Gestaltung von Gärten und Autos. Und, eh ich’s vergesse: natürlich dem Film!!

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