von Nadja Naumann //
Es ist ein recht ungewöhnliches und vor allem aufwendiges Kunstprojekt, das die Galerie für zeitgenössische Kunst mit Chinafrika. under construction zeigt, denn die Kunst Chinas und Afrikas könnte fast nicht gegensätzlicher sein. Der Ansatz einer Provinzialisierung Europas schwebt über dem gesamten Projekt und darf bereits jetzt, angesichts des Flüchtlingsstroms vom afrikanischen Kontinent auf das europäische Festland angezweifelt werden. Das altehrwürdige kulturell erhabene Europa ist durchaus offen für neue Impulse von außen, auch wenn heftigst darüber diskutiert wird, wie viele Flüchtlinge Europa auf Dauer verträgt. Sie sind auf lange Sicht eine kulturelle Bereicherung, auch wenn das jetzt banal klingt: Der Döner und der Asia Imbiss haben schon längst den deutschen Imbiss mit Bockwurst und Co. überflügelt. In den Discountern gibt es orientalische und asiatische Wochen – vor Jahren wäre das undenkbar gewesen. Die fremdländische Küche hat die Speisekarte Europas und vor allem die in Deutschland schon lange beeinflusst. Die Gesetze der Kochkunst lassen sich durchaus auf die Strukturen der Kunst übertragen, denn sie verbindet – genau wie gutes Essen – die Menschen.
Afrikanische, chinesische und europäische Künstler, Kuratoren, Theoretiker und Akteure haben für die Ausstellung gemeinsam künstlerische und theoretische Positionen erarbeitet. In einer Art Wanderausstellung werden diese in Form von Workshops, Konferenzen, Ausstellungen, Performances, Publikationen und Filmvorführungen auf allen drei Kontinenten vorgestellt.
Der Ansatz des afrikanischen Projekts löst sich von den gewachsenen alten Kontinentalrouten Nord/Süd und präsentiert mit Süd/Süd eine Routenalternative und versucht sich an neuen Optionen der gegenseitigen Reflexion Süd/Nord/Süd. Der Fokus liegt dabei auf dem Kupfergürtel im nördlichen Sambia und dem Südosten des Kongos als neuralgischen Punkt für den Abbau und Transport von Rohstoffen. Miteinbezogen sind die Metropolen Lagos (Nigeria), Maputo (Mosambique), Algier (Algerien) und Addis Abeba (Äthiopien).
Für China stehen das Perlflussdelta mit den afrikanischen Handelszentren in Hong Kong, Guangzhou und der Freihandelszone in Shenzen sowie die Hauptstadt Peking auf der Agenda. Fünf Themenschwerpunkte bestimmen die Schau: Yü Gung bewegt Berge, Züge & Transport, Handel & Märkte, Städtischer Alltag und Europa. Neben den Arbeiten der beteiligten Künstler, Filmemacher und Fotografen sind Positionen der Chinafrika Working Groups zu sehen. Diese Gruppen haben sich im Rahmen des Projekts in den afrikanischen Städten Lagos, Johannesburg und Lubumbashi sowie in der chinesischen Stadt Guangzhou gegründet, um vor Ort Recherche zu betreiben, Theorien zu erarbeiten, künstlerische Arbeiten zu finden und eine lokale Debatte ins Leben zu rufen. Das Augenmerk des Gesamtwerks liegt auf den gegenseitigen Überlagerungen der sino-afrikanischen Kulturen im Alltag und inwieweit sie das Handeln der Menschen beeinflussen.
Text aus der kunst:art 55
Chinafrika. under construction
1.6. – 24.9.2017, Galerie für zeitgenössische Kunst Leipzig
Karl-Tauchnitz-Straße 9 – 11, D-04107 Leipzig
Tel.: +49-341-140810
Di – Fr 14 – 19 Uhr, Sa – So 12 – 18 Uhr, Eintritt: 5 €, erm. 3 €
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