Prostitution, Geldheirat, Gier. Goya-Monster im Herzog Anton Ulrich-Museum

31.8. – 19.11.2017 | Herzog Anton Ulrich-Museum

Francisco de Goya, Du, der du es nicht kannst (Tu que no puedes), o.J.. Foto: Herzog Anton Ulrich-Museum.

 

von Marianne Hoffmann //

 

Mit 80 Darstellungen von unerhörter kritischer Schärfe führt der spanische Künstler Francisco de Goya (1746-1828) in dem Zyklus “Los Caprichos” (Launen, Einfälle) zeitlos gültige menschliche Abgründe vor Augen. “Los Caprichos” gilt als Schlüsselwerk Goyas, das am meisten dazu beitrug, Goyas Namen und Kunst in ganz Europa bekannt zu machen. Den Zyklus hat Goya in Aquatinta und klassischer Radierkunst ausgeführt. Bis heute gilt Goyas Verwendung der Aquatinta als herausragendes Beispiel für Radiertechnik. Die Ausstellung präsentiert die 1797- 98 entstandene Serie in zwei aufeinanderfolgenden Teilen. Anfangs thematisiert Goya Prostitution, Geldheirat, Gier, Ständeordnung, Unbarmherzigkeit, monströsen Sadismus und  sublimierte Triebe. In der sogenannten „Eselserie“ zeigt er die moralische Unzulänglichkeit von Adel und Klerus, indem er deren Torheiten stellvertretend von Eseln begehen lässt. Mit virtuoser Experimentierfreude und meisterlicher Handhabung der Aquatinta-Technik taucht Goya die Szenen in ein irreales Helldunkel.

Die künstlerische Qualität lässt sich in Braunschweig besonders eindrücklich erleben, da das Kupferstichkabinett die Erstauflage von 1799 in besonders frühen Drucken besitzt.1799 kündigte Goya in einer Madrider Tageszeitung das Erscheinen dieser Serie von 80 Radierungen unter dem Titel Caprichos an. Der unbeschwerte Titel der Bilderserie ließ die dahinter steckende schonungslose Gesellschaftskritik nicht vermuten. Doch als Sittenbilder der zeitgenössischen Gesellschaft, „durchtränkt von erotischer Atmosphäre und beißender Satire”, galt dieser Zyklus den Zeitgenossen als höchst gefährlich. Im weiteren Verlauf der Caprichos führt Goya die Wahnvorstellungen einer abergläubischen Volksfrömmigkeit vor Augen. Einführend bringen Plagegeister den Künstler zur Verzweiflung und lähmen seine Vernunft, wie auf dem programmatischen Blatt „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ zu sehen. Hexen und Dämonen, alptraumhafte Kreaturen zelebrieren ihren Hexensabbat in allen Variationen und stehen Mönchen gegenüber, die satanische Zeremonien feiern. Glaube und Aberglaube lassen sich nicht mehr eindeutig trennen, erscheinen vertauscht. Phantome fallen über ahnungslose junge Menschen her und Gnome treiben ihr Unwesen.

Der Multimedia-Künstler Herbert Nauderer, Jahrgang 1958, der zurzeit an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig lehrt, greift die dunklen und grotesken Aspekte von Goyas Caprichos auf und transformiert sie zu surrealen Zeichnungen. Während des gesamten Zeitraums bringt er wöchentlich einige neue Zeichnungen in die Ausstellung und tauscht sie mit schon vorhandenen aus. 60 Interpretationen von Goyas Werk wird Nauderer in der Ausstellung quasi als Paralleluniversum aufhängen. Josua Walbrodt, Kurator der Braunschweiger Ausstellung, ergänzt: “Während Goya mit Aquatinta und Radierung arbeitet, setzt Nauderer auf  den breiten Graphitstift, womit er seinen Goya Interpretationen eine zeitgenössische Anmutung verpasst. Gleichzeitig aber auch eine Düsternis, die im Spannungskontrast zu Goya steht.” Gespannt kann man sicherlich darauf schauen, was Herbert Nauderer aus der Gesellschaftskritik Goyas machen wird. Werden wir uns in den 0widerspiegeln?

Text aus der kunst:art 57

Goya. Monster, Esel, Leidenschaften
31.8. – 19.11.2017, Herzog Anton Ulrich-Museum
Museumstr. 1, D-38100 Braunschweig
Tel.: +49-531–12250
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 9 €, erm. 7 €
www.3landesmuseen.de

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen