Innovation durch Technik

26.5.2019 – 5.1.2020 | Arp Museum Bahnhof Rolandseck

El Lissitzky, Der Konstrukteur (Selbstportrait), 1924 (Foto Gerhard Meerwein)

Gerhard Meerwein verkörpert einen Typus des Kunstsammlers, der leider immer seltener geworden ist: Über fast vier Jahrzehnte baute der Mainzer emeritierte Professor fern des großen Rampenlichts eine Sammlung auf, die auf der Welt heute einzigartig ist. Wo man bei anderen Sammlern meistens von Schwerpunkten spricht, steht in seinem Fall ein außergewöhnlich enges und entsprechend scharfes Profil: Die Collage nach 1945, darauf hat sich Meerwein exklusiv und hingebungsvoll spezialisiert und in diesem Kontext hat er, ganz ohne die große Geste und auch millionenschweres Erbe, ein sehr persönliches und doch auch für die Allgemeinheit unermessliches kunsthistorisches Archiv geschaffen. Das vielleicht Bemerkenswerteste an diesem Sammler ist jedoch seine strikte Verweigerung gegenüber dem Kunstmarkt als profitorientiertem Spekulationsfeld. So sei es nie seine Absicht gewesen, dem Markt zu irgendeinem Zeitpunkt seine Sammlung wieder einzuschleusen – für die Allgemeinheit ein großer Glücksfall.

Stattdessen durften sich nämlich schon vor vier Jahren die Verantwortlichen des Arp Museums freuen, denen Meerwein seine inzwischen über vierhundert gesammelten Werke als Schenkung übergab. Seitdem machte das Haus diese seinen Besuchern sukzessive und mit einem gut durchdachten kuratorischen Konzept zugänglich. In einem ersten Teil ging es um die Sammlerpersönlichkeit, im zweiten um die persönlichen Freundschaften zu einzelnen Zeitgenossen. Im nun folgenden dritten Teil wird die Schenkung in den Dialog mit der angestammten Museums-Sammlung gebracht, um Schnittmengen aufzuspüren innerhalb dieses faszinierenden Mediums, das so wichtig war für die Entwicklungen der einflussreichsten Avantgarden des 20. Jahrhunderts.
Nicht zufällig treffen Meerweins Stücke hier auf einige wichtige Schlüsselfiguren der Geschichte der Collage. Die Dadaisten Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp gehören schließlich zu den wichtigsten Pionieren der Technik. In der Schenkung finden sich neben einigen großen Namen wie Joseph Beuys, Max Ernst oder El Lissitzky auch viele weniger bekannte Künstler, da es Gerhard Meerwein immer vorrangig um die Breite des Mediums und nicht um die Tiefe einzelner Positionen ging. Die Grundprinzipien des Fragmentierens, Wegnehmens und Hinzufügens haben sich im Wandel der medialen Möglichkeiten über die Jahrzehnte erhalten und sind doch zu völlig neuen Ausprägungen gelangt. Meerwein hat diesen Prozess verfolgt und einfließen lassen.

Die wichtigste Schnittmenge zwischen allen Arbeiten, die jetzt in Rolandseck zu sehen sind, erklärt gleichzeitig, warum die Collage seit ihrer Erweckung vom Dadaismus über den Surrealismus bis hin zur Fluxus-Bewegung für alle erneuernden Kunstströmungen eine so große Rolle spielte: Jede Collage zieht ihre innovative Kraft aus bestehendem Material und verkörpert somit wie keine andere Technik eine Durchdringung von Kunst und Leben, wie sie auch der künstlerischen Vision Arps immer vorschwebte. In diesem Sinne gäbe es wohl keinen besseren Ort für die Sammlung Meerwein als den Bahnhof Rolandseck.

 

Collagen. Die Sammlung Meerwein
26.5.2019 – 5.1.2020
Arp Museum Bahnhof Rolandseck
Hans-Arp-Allee 1
D-53424 Remagen
Tel.: +49-2228-942539
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 9 €, erm. 7 €
www.arpmuseum.org

Text: Julius Tamborino
Bild: Arp Museum Bahnhof Rolandseck
Erstveröffentlichung in kunst:art 67