Erbe deutscher Geschichte

7.6. – 29.9.2019 | GfZK

Christian Nyampeta, Film Still aus Sometimes It Was Beautiful, 2018

Zum 25. Mal jährt sich in diesem Jahr der grausame Genozid gegen die Tutsi in Ruanda. Das ist eines der Themen, mit denen sich die Ausstellung „A Flower Garden of All Kinds of Loveliness Without Sorrow“ des in Ruanda geborenen, in London, New York und Amsterdam lebenden niederländischen Künstlers Christian Nyampeta befasst. Er ist der diesjährige Preisträger des Kunstpreises Europas Zukunft. Es ist die erste Einzelpräsentation des Künstlers in Deutschland.

Ruanda war von 1884 bis 1916 Teil der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Zum Gebiet gehörten damals außerdem Tansania ohne Sansibar, Burundi und ein kleines Gebiet im heutigen Mosambik. Die Kolonialzeit zerstörte damals in den Ländern die eigene Kultur, Gesellschaft und Strukturen. Es wurde den Afrikanern alles genommen, was ihre Identität ausmachte, und in den Augen der weißen Eroberer waren sie minderwertige Menschen. Bis heute darf man sich fragen, mit welchem Recht die Europäer sich anmaßten, Afrika zu ihren Kolonien zu machen. Somit ist die Schau auch eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der ehemaligen europäischen Kolonien im heutigen Kongo und Ruanda. Die ausgestellten Skulpturen sind in einer Zusammenarbeit mit Studierenden und Mitarbeitern der Nyundo Kunstschule in Ruanda im Rahmen eines Seminars zu den Themen Monument und Zeugenschaft entstanden. Christian Nyampeta widmet diese Skulpturen ruandischen und deutschen Menschen, die wegen ihres Glaubens, ihrer Ideen oder ihres Verhaltens zu Unrecht verfolgt wurden – wie die Tutsis.

Der Titel der Schau ist einem der ersten niederländischen Wörterbücher entlehnt, das Adriaan Koerbagh 1668 veröffentlichte. Adriaan Koerbagh (1633–1669) galt als einer der konsequentesten Vertreter der Aufklärung. Er lehnte die Kirche und den Staat als unzuverlässige Institutionen ab. Natürlich bekam er die Macht der Kirche zu spüren, die ihn verfolgte und vor der er floh, bis er von seinem Drucker verraten wurde. Der niederländische Philosoph und Kritiker entschlüsselte in dem Buch die Sprache der Kirche und des Staates, um dagegen anzugehen. Der Arm der Kirche war länger. Der Philosoph, den man zu zehn Jahren Gefängnis verurteilte, starb nur ein Jahr später in der Haft.

Ausgehend von der Geschichte des Adriaan Koerbagh und seines aufklärerischen Gedankenguts widmet sich der Künstler den Mechanismen von Sprache und Erzählung, Prozessen der Übersetzung und kulturellen Gewaltakten. Das Projekt besteht aus drei Formaten: Ausstellung, Skriptorium und Veranstaltungsprogramm. Im Skriptorium – ein Ort des Schreibens – diskutiert und kommentiert eine Arbeitsgruppe die englischen und deutschen Übersetzungen des ruandischen Philosophen Isaie Nzeyimana. Das Veranstaltungsprogramm legt den Fokus auf die deutsche Kolonie des heutigen Ruanda und auf das Erbe der Kolonialzeit in Leipzig. Das Projekt an der GfZK ist Teil des Programms von Ausstellungen, Filmvorführungen und Performances, das unter dem gleichen Namen in Amsterdam, Mechelen, Kigali, London und New York stattfindet.

Christian Nyampeta.
A Flower Garden of All Kinds of Loveliness Without Sorrow
7.6. – 29.9.2019
GfZK
Karl–Tauchnitz-Str. 9–11
D-04107 Leipzig
Tel.: +49-341-140810
Di – Fr 14 –19 Uhr, Sa – So 12 – 18 Uhr
Eintritt: 5 €, erm. 3 €
www.gfzk.de

Text: Nadja Naumann
Bild: GfZK
Erstveröffentlichung in kunst:art 68