Eine Frau und 50 Selbstbildnisse

15.9.2019 – 9.2.2020 | Paula Modersohn-Becker Museum

„Ich bin Ich, und hoffe es immer mehr zu werden“ schrieb Paula Modersohn-Becker (1876–1907) 1906 an den Freund und Schriftsteller Rainer Maria Rilke. Über 60 Mal hat sich die Künstlerin selbst porträtiert. Bisher gab es noch keine Ausstellung, die sich damit auseinandergesetzt hat.

Paula Modersohn-Beckers Schaffensperiode umfasst nur 14 Jahre. In dieser Zeit schuf sie 750 Gemälde, um die 1.000 Zeichnungen und 13 Radierungen. Ihr erstes Selbstporträt entstand 1893. Der Werdegang von Paula Modersohn-Becker war steinig, denn zu ihrer Zeit war es undenkbar, dass eine Frau zu einem Kunststudium zugelassen wurde. Es ist bemerkenswert, mit welcher Energie sich die junge Frau zielstrebig der Kunst zuwandte entgegen allen familiären und gesellschaftlichen Widerständen. Leicht hatte es Paula Modersohn-Becker nie im Leben gehabt, aber was ihr Kraft gab, war die Kunst.
Selbst die Finanzierung über ein Stipendium war der jungen Frau verwehrt und so war sie auf die Unterstützung der eigenen Familie angewiesen und ausgeliefert. Der für ein Jahr geplante Aufenthalt in London 1892 bei einem Onkel, sie erhielt dort an einer privaten Kunstschule Unterricht, erwies sich durch die Drangsalierungen durch die Tante als Tortour. Nach einem halben Jahr kam sie zurück ins Elternhaus nach Bremen. Gerne wird die Zeit von Paula Modersohn-Becker in Worpswede verklärt, aber selbst die war für die selbstbewusste Frau nicht einfach. Die Frauen, die dort privaten Kunstunterricht nahmen, hatten gefälligst Blumen zu pinseln und die Malerei als Zeitvertreib zu sehen. Paula Modersohn-Becker wollte aber mehr und eckte damit an.

Selbst ihre Eheschließung 1901 mit Otto Modersohn war ein Kompromiss. Natürlich lässt sich trefflich darüber spekulieren, aber den eigenen Namen Becker hat Paula beibehalten. Auf Drängen der Eltern belegte sie vor der Heirat einen Kochkurs, den sie aber vorzeitig abbrach. Dieser Spagat zwischen dem gesellschaftlichen Korsett und dem künstlerischen Schaffensdrang zehrte an den Kräften der begnadeten Künstlerin. Daher stellte sie sich selbst, die Rolle der Frau in ihrer Zeit und ihre Ehe immer wieder auf den Prüfstand. Davon zeugen über 60 Selbstporträts und eines davon ist höchst tragisch. Denn der Kinderwunsch der Künstlerin blieb lange Zeit unerfüllt. Sie malte sich selbst als Schwangere, obwohl sie es nicht war.

In Bremen sind jetzt mehr als 50 frühere und spätere Selbstporträts, Gemälde und Zeichnungen zu sehen. Was allerdings nicht aus den Augen geraten sollte: Sie ist nicht erst durch ihren Mann zur Künstlerin geworden. Das war sie bereits vorher. Die Selbstbildnisse, darunter sind Arbeiten, die bisher noch nicht gezeigt worden sind, werfen in der Tat einen neuen Blick auf die Frau, die ihrer Zeit weit voraus war. Die Vielfältigkeit, mit der sie sich selbst näherte, ist höchst bemerkenswert. Es sind nicht nur Selbstporträts, vielmehr spiegeln die Arbeiten auch die Gefühlswelt der Paula Modersohn-Becker wider. Eine spannende Ausstellung, die man sehen muss!

 

Ich bin Ich – Paula Modersohn-Becker. Die Selbstbildnisse
15.9.2019 – 9.2.2020
Museen Böttcherstraße
Paula Modersohn-Becker Museum
Böttcherstr. 6–10
D-28195 Bremen
Tel.: +49-421-3388222
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 6 €
www.museen-boettcherstrasse.de

Text: Nadja Naumann
Bild: Paula Modersohn-Becker Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 69