Otto Modersohn – in Fischerhude 1916-1925

08.09.2019 - 05.01.2020 | Otto-Modersohn-Museum

Nach zehn Jahren zeigt das Otto-Modersohn-Museum wieder die Bilder und Zeichnungen der Fischerhuder Jahre 1916-1925.

Die Sonderausstellungen des Otto-Modersohn-Museums geben Anlass zur Sichtung des Museumsbestandes, ermöglichen die Einordnung der Bilder in ihren Zusammenhang und führen zur Übersicht. Manchmal sind sie auch Anstoß für unerwartete Neuentdeckungen.

So zu sehen, gleich in der ersten Raum dieser Ausstellung, der den kleinformatigen Bildern der Jahre 1916/1917 gewidmet ist.

Dort findet sich in einer Vitrine neben der Kladde des Atelierbuchs ein Bild des westfälischen Frühwerks, das er Im Dezember 1916 (mitten im 1.Weltkrieg) in der Kunsthalle Bremen, neben kleinen Holztafeln aus den Jahren 1915/16, ausstellte. Aus dieser Ausstellung konnte er 11 dieser frühen Bilder verkaufen. Es ist in der Aufzeichnung des Atelierbuchs die Nr. 6 und trug den Titel: „Bei Soest (hinten Patrokli)“ und ging für 500 Mark an Theodor Behrens nach Hamburg. Theodor E. Behrens (1857 – 1921) war Bankier, Kunstsammler und Mäzen. Er gehörte zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu den bedeutenden Kunstsammlern Hamburgs. Seine Sammlung umfasste überwiegend Gemälde und Skulpturen deutscher und französischer Künstler des 19. Jahrhunderts. Einige dieser Bilder und Skulpturen befinden sich heute im Besitz der Hamburger Kunsthalle.

Das Otto-Modersohn-Museum konnte sich das Bild für die Otto Modersohn-Stiftung sichern, nachdem es im Hamburger Kunsthandel angeboten wurde.

Otto Modersohn konnte in den Kriegsjahren kaum von den Verkäufen seiner Bilder leben.

Die Familie zog im Herbst 1915 von Fischerhude zurück in das Worpsweder Wohnhaus, um Miete zu sparen und näher an den mit seinen Bildern handelnden Kunsthändlern zu sein.

Seit den Wintermonaten 1915/16 entstanden bis zum Herbst 1918 ausschließlich kleinformatige Bilder auf Holztafeln, wie sie bei Tischlern als Abfallholz für wenig Geld zu bekommen sind. Daneben gibt es aber auch facettierte Mahagonitafeln, die wohl in größerer Anzahl aus besseren Zeiten noch vorrätig waren. Ausgelöst wurde diese Beschränkung auf das kleine Format durch einen Besuch Emil Waldmanns, der sich für Otto Modersohns kleine Bildstudien des Münsteraner Frühwerks begeisterte, die er dann im Winter 1916 in der Kunsthalle Bremen ausstellte und der eigenen Erkenntnis, dass diese Bilder in ihrer intimen Durchbildung etwas ganz Eigenes und Seltenes seien.

Die von Hunger und Leid des Krieges geprägte Stimmung in Worpswede und das Leben in jenem Haus, in dem er mit Paula sechs Jahre gewohnt hatte und wo sie gestorben war, wirkten zunehmend bedrückend auf ihn und seine Frau. Sie fühlten sich an diesem Ort „höchst unglücklich“.

Anfang Mai 1917 siedelten Otto und Louise Modersohn mit ihren Kindern endgültig wieder nach Fischerhude über. In dem Ortsteil Wilhelmshausen hatten sie eine Atelierwohnung im Haus des Tischlers Freese nahe der Wümme gemietet. Die beiden Söhne Ulrich und Christian waren vier und ein Jahr, die Töchter Elsbeth und Mathilde neunzehn und zehn Jahre alt.

Angeregt durch die Ausstellung in Bremen, malte Modersohn auch 1917 ausschließlich kleinformatige Bilder.

In den folgenden Jahren wandelte sich seine Malerei hin zu flächigen, gestaffelten Bildräumen, die seinen Bildern den Eindruck von farbigen Geweben verleihen. Es zeigt sich in diesen Bildern eine fein abgestimmte Ordnung der Kompositionselemente und eine entwickelte, sehr differenzierte Koloristik. Auch die Bilder des deutschen Expressionismus blieben nicht ohne Wirkung. In ganz eigener Weise versuchte er eine Anverwandlung dieser Einflüsse. Das Stoffliche tritt zurück, zugunsten des formal Gemeinsamen in der Natur.

„Ich will die Naturformen zu Trägern meiner Ideen machen … das Stoffliche muß man ganz überwinden, alle Dinge müssen etwas Gemeinsames haben, wie ein Gewebe … trotz der Tiefen-wirkung den Flächencharakter betonen – im Gegensatz zum Naturalismus.“ Otto Modersohn, Tagebuch, 10. Mai 1921

Die 20ger Jahre waren von intensiven gemeinsamen Studienreisen mit seiner dritten Frau Louise Modersohn-Breling (1883-1950) nach Wertheim und Würzburg geprägt. Einen tiefen Eindruck machte schon 1916 der Besuch der fränkischen Stadt Wertheim, an Main und Tauber gelegen, auf das Künstlerpaar Modersohn. Es folgen weitere Reisen nach Iphofen und Sulzfeld, nach Würzburg und Wertheim in den Jahren 1922 bis 1925, immer in den Sommermonaten.Otto Modersohn war in diesen Jahren ein Suchender. Er experimentierte mit unterschiedlichen, mal saugenden, mal nicht saugenden Malgründen und Bildträgern. Er war begeistert von der matten Temperafarbe auf saugenden Kreidegrund und konnte sich in gleicher Weise über die Prägnanz von Ölfarbe auf Halbölgründen äußern.

Nur noch auf nichtsaugendem Grunde malen. Gerade ein Maler, wie ich einer bin, kann nur so seine besten Seiten zeigen. Sehr schön malt’s sich auf alten Bildern, man kann da sehr koloristisch werden: Riesig regen mich die Constable Skizzen an. Ich fühle damit große Verwandtschaft. Das elementare Leben der Natur in solch köstlich freier, großer lebendiger Handschrift zu schildern, ist doch das Höchste. Das schönste Malen ist vor der Natur. Da ist man am inspiriertesten. Ein glatter Grund ist mir am liebsten – glatte Leinwand, darum malte ich so gern auf Holz und Papier.

Otto Modersohn, Tagebuch, 24. Oktober 1923

Die in der Ausstellung versammelten mittelformatigen, mit Temperafarbe gemalten Landschaften, hängen mit ihrer transparenten, matten, ganz frei und offen gehaltenen Pinselführung neben verdichteten, stark farbigen, opak gemalten Ölbildern auf Leinwand.

Die Ausstellung ist wesentlich nach Motivgruppen organisiert, ohne die Bildchronologie gänzlich außer Acht zu lassen. Es sind die Motive der Wümme, der Heide, die Dorfstraßen, der Überschwemmungen und der Winterlandschaften Fischerhudes, in denen dem Besucher dieser Ausstellung ein ganz anderer als der uns vermeintlich vertraute Maler begegnet.

Text: Otto Modersohn Museum

täglich 10–18 Uhr
geschlossen am 24., 25., und 31.12.

Otto-Modersohn-Museum
In der Bredenau 95, 28870 Fischerhude
Info@modersohn-museum.de
www.modersohn-museum.de

 

 

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