Mehr als nur ein Möbeldesigner

31.10.2019 – 12.1.2020 | Museum Haus Konstruktiv

Max Bill, Richard Paul Lohse und Verena Loewensberg gehörten zum engsten Kreis der Zürcher Konkreten, zu dem auch der Schweizer Künstler Camille Graser zählte. Graeser wurde 1892 in Carouge bei Genf geboren und wuchs in Stuttgart auf. 1911 besuchte er nach dem Abschluss einer Schreinerlehre die Fachklasse für Möbelbau und Innenarchitektur an der Königlichen Kunstgewerbeschule Stuttgart. 1913 wurde er Meisterschüler von Bernhard Pankok. In seiner Freizeit malte und zeichnete er. Dabei faszinierte ihn der Kubismus und Fauvismus derart, dass diese in seine Arbeit einflossen. In Stuttgart eröffnete er ein Atelier für Innenarchitektur, Werbegrafik und Produktgestaltung, das sehr erfolgreich agierte. 1918 wurde er in den Deutschen Werkbund aufgenommen und 1927 war er unter anderem an der Einrichtung der von Mies van der Rohe entworfenen Mustersiedlung „Weissenhof“ beteiligt. Seine Karriere nahm mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ihr Ende. 1933 kehrte er in sein Heimatland zurück. Da er in Zürich nicht genügend Arbeit als Designer fand, beschloss er, sich der bildenden Kunst zuzuwenden.

Zur Jahreswende 1937/38 wurde Graeser auf Einladung von Leo Leuppi Mitglied der Allianz, die ihm zum Durchbruch als Künstler verhalf. An Ausstellungen beteiligte sich er mit Arbeiten, die surrealistisch und puristisch-organisch ausgerichtet waren. Ab 1943 entfaltete sich ein konstruktiv-konkreter Stil in den Arbeiten. Dabei wurde Graeser geprägt vom russischen Konstruktivismus von Kasimir Malewitsch, Wladimir Tatlin und El Lissitsky sowie der De-Stijl-Bewegung um Theo van Doesburg und Piet Mondrian. Mitte der 1940er Jahre bis 1954 spielten Quadrat, Rechteck, Kreis und Rhombus eine große Rolle in seinen Werken. Er kombinierte sie mit farbigen oder schwarzen Balken- oder T-Elementen. Die Ausstellung präsentiert acht Werke dieser Art des Künstlers. Die umfangreiche Schau legt den Schwerpunkt auf die Zeit von den 1930er bis in die 1950er Jahre und wird ergänzt durch eine Auswahl repräsentativer Werke aus den wichtigsten Schaffensphasen von Camille Graeser.

Die Soloschau erstreckt sich über zwei Stockwerke und geht der Frage nach, wie aus dem Möbeldesigner ein Hauptvertreter der konkreten Kunst in Zürich wurde. Dazu werden einigen seiner Innenarchitektur-Entwürfe sowie Möbeln aus den 1920er und 1930er Jahren Gemälde, Reliefs und Plastiken ab den 1930er Jahren gegenübergestellt. Ebenso wird seine Entwicklung zu einem Künstler der konstruktiv-konkreten Formensprache aufgezeigt. Um diese Entwicklung Graesers zum Künstler für den Betrachter so verständlich wie nur möglich zu machen, werden Arbeiten von Künstlern gezeigt, die seinen Werdegang beeinflussten.

In der großen Säulenhalle im dritten Stock des Hauses sind rund 20 Werkgruppen zu sehen, die Graeser als Künstler entwickelte und die hier gegenübergestellt werden. Im größten Raum des Museums treffen die großformatigen Streifen-Relationen der 1960er Jahre und der späten Dislokationen der 1970er Jahre auf seine frühen Einzelwerke.

 

Camille Graeser
31.10.2019 – 12.1.2020
Museum Haus Konstruktiv
Selnaustr. 25
CH-8001 Zürich
Tel.: +41-44-2177080
Di – So 11 – 17 Uhr, Mi 11 – 20 Uhr
Eintritt: 16 CHF, erm. 12 CHF
www.hauskonstruktiv.ch

Text: Nadja Naumann
Bild: Museum Haus Konstruktiv
Erstveröffentlichung in kunst:art 70