Der alte Schlachtruf aus den 1960ern, demzufolge das Private politisch sei und das Körperliche sowieso, hat heute mehr Aktualität denn je – erweitert hat sich allerdings der Fokus vom Weiblichen immer stärker auch hin zum Männlichen. Genau darum geht es derzeit im Berliner Martin-Gropius-Bau. „Masculinities“, der Plural ist hier mit Bedacht gewählt, zeigt, wie sich die Vorstellungen von Männlichkeit seit den 1960ern gewandelt haben. Abzulesen ist das bevorzugt in dem Medium, das in genau dieser Zeit zum Forum des gesellschaftlichen Diskurses schlechthin geworden ist, der Fotografie.
Die Gruppenausstellung versammelt hochkarätige Werke von rund fünfzig internationalen Künstlern, darunter nahezu alle großen Namen der Fotografie dieser Zeit: Laurie Anderson, Richard Avedon, Isaac Julien, Anette Messager, Tracey Moffat, Catherine Opie und Wolfgang Tillmans sind nur einige von ihnen. Ein Foto von Sunil Gupta von 1976 bringt die Ausstellung und ihre Kernthese „Liberation through Photography“ auf den Punkt: Ein junger Mann auf der New Yorker Christopher Street zeigt im knapp sitzenden Shirt seine körperliche Schönheit, lässt aber gleichzeitig auch Verletzlichkeit ahnen. Wie Männlichkeit erlebt, performativ hergestellt, sozial konstruiert und öffentlich wie privat empfunden wird, vom eigenen wie vom anderen Geschlecht: Die Öffnung des klassischen Männerbilds hin zu einer schillernden Vielzahl von Möglichkeiten, in diesen Fotos wird sie spürbar.
Masculinities: Liberation through Photography
16.10.2020 – 17.3.2021
Gropius Bau
Niederkirchnerstr. 7
D-10963 Berlin
Tel.: +49-30-254860
Mo + Mi – So 10 – 19 Uhr
Eintritt: 15 €, erm. 10 €
www.berlinerfestspiele.de/de/gropiusbau
Text: Dieter Begemann
Bild: Gropius Bau
Erstveröffentlichung in kunst:art 76