Das Leben als Inszenierung

19.3. – 28.8.2022 | Museum Franz Gertsch

Wir lassen uns in der Freizeit gern unterhalten. Besuchen Theater, Opernhäuser oder gehen ins Kino. Wir wollen für ein paar Stunden dem uns bestimmenden Alltag entfliehen, um in eine möglichst bessere, schönere Welt eintauchen zu können. Doch hat diese Flucht in eine oftmals wunderbare Scheinwelt etwas mit dem realen Leben zu tun?

Ja, sagt die österreichische Künstlerin Xenia Hausner und dreht den Spieß um. Sie nimmt den Betrachter mit in eine Welt, in der sie das Leben in den unterschiedlichsten Situationen oder Momenten auf der Leinwand farbenprächtig inszeniert.
Zum ersten Mal werden jetzt rund 25 großformatige Arbeiten der Künstlerin in der Schweiz gezeigt.

Die Malerin kam in Wien in einem Künstlerhaushalt zur Welt. Ihr Vater, Rudolf Hausner, war Maler und ein bedeutender Vertreter der Wiener Schule des Phantastischen Realismus. Xenia Hausner studierte zwischen 1972 und 1976 an der Akademie der Bildenden Künste Wien und an der Royal Academy of Dramatic Art London Bühnenbild. In der Zeit von 1977 bis 1992 arbeitete sie an verschiedenen Theatern und Opernhäusern, unter anderem bei den Salzburger Festspielen und dem Royal Opera House Covent Garden.

Seit 1992 beschäftigt sie sich vorrangig mit der Malerei. Inspiriert und geschult von der Theaterarbeit betrachtet sie die Welt als Bühne, indem sie ihre real wirkenden Figuren in Rollen besetzt und auf der Leinwand agieren lässt. Die so entstehenden wie Szenen wirkenden Bilder erscheinen auf den ersten Blick leicht durchschaubar. Doch der erste Blick täuscht, denn nach und nach kommt eine Komplexität zu Tage, die sich als rätselhaft erweist. Fast automatisch wird man so aufgefordert, sich genauer mit dem Inhalt des Werkes zu beschäftigen. Lässt man sich auf das dargestellte Thema oder die Szene ein, entwickelt sich eine verblüffende Interaktivität zwischen Bild und Betrachter.

Am Anfang eines jeden Bildes steht bei Hausner die genau angelegte und überlegte Konstruktion eines künstlich geschaffenen Raumes oder aus verschiedenen Materialien geschaffener Gegenstände als Requisiten im Fokus. Im Atelier baut sie den Raum und die Gegenstände auf und fotografiert sie als Bildvorlage. Die Requisiten werden dem Personal zugeteilt, die sich damit auseinandersetzen müssen, oder die Malerin platziert diese im Bildraum.

In dem minutiös vorbereiteten Bildaufbau, in dem nichts dem Zufall überlassen wird, nimmt das Personal die ihm zugedachten Rollen ein. Das Vermischen des Fiktionalen mit dem Narrativen zeichnet jedes der Werke Hausners aus. Die homogene und klar strukturierte Arbeitsweise ist dabei das verlässliche Fundament der Bilder. Das Personal in den Bildern ist ausschließlich weiblich. Das ist hier kein Zufall, sondern ganz bewusst so eingesetzt. Selbst Männern zugedachte Rollen sind mit Frauen besetzt. In der Hausnerischen so eigenen kräftigen, unverkennbaren Farbenwelt entfaltet sich die illustre Bühne als Leben, gesehen und erzählt aus einer rein weiblichen Perspektive.

Nadja Naumann lebt und arbeitet als Journalistin in Mitteldeutschland.

 

 

Xenia Hausner. True Lies
19.3. – 28.8.2022
Museum Franz Gertsch
Platanenstr. 3
CH-3401 Burgdorf
Tel.: +41-34-4214020
Di – Fr 10 – 18 Uhr, Sa + So 10 – 17 Uhr
Eintritt: 16 CHF, erm. 12 CHF
www.museum-franzgertsch.ch

Text: Nadja Naumann
Bild: Museum Franz Gertsch
Erstveröffentlichung in kunst:art 84