Gold und Schatten

22.9.2022 – 19.2.2023 | LVR-Landes Museum Bonn

Saftige Früchte, rare Porzellanobjekte, brillant funkelnde Gläser und Kelche – die Stillleben des 17. Jahrhunderts fesseln den Blick nicht nur mit üppig gedeckten Tischen voll hochwertiger Speisen und Objekte oder schillernder Blumenbouquets, die kostbare Blumen verschiedenster Jahreszeiten gemeinsam die Zeit überdauern lassen. Sie scheinen auch zuweilen in ihrem meisterhaften Naturalismus geradezu in den Raum der Betrachtenden überzugreifen. Zu diesem Erlebnis lädt nun die Ausstellung „Augenlust? Niederländische Stillleben im Detail“ im LVR-LandesMuseum Bonn ein.

Schätzungsweise bis zu 70.000 Gemälde pro Jahr entstanden in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts. Der in jener Epoche einzigartig rege Kunstmarkt des durch internationalen Handel immer reicher werdenden Landes begünstigte eine facettenreiche Kunstlandschaft. Sie ließ das künstlerische Selbstverständnis hinter dem Handwerk mehr und mehr hervortreten und förderte eine ausdifferenzierte Entwicklung der malerischen Gattungen. Nachdem sich um 1600 autonome Stillleben, ebenso wie die Landschaftsmalerei, erstmals mit leblosen Objekten beschäftigt hatten, perfektionierten die Maler des 17. Jahrhunderts mit beispielsweise Früchte-, Blumen-, Jagd- und Vanitasstillleben einen weiten Brückenschlag zwischen ausgeprägtem Naturalismus und inhaltlichen Ebenen. Zum Ende des 17. Jahrhunderts kulminierten diese Tendenzen in den Prunkstillleben, die sich zunehmend von der Symbolik entfernten und stärker auf die elaborierte Darstellung des großbürgerlichen Reichtums in den Niederlanden konzentrierten.

Diesem komplexen historischen Hintergrund widmet sich die Bonner Schau als „slow exhibition“: In einzelnen Kabinetten präsentiert, eröffnen 14 Gemälde den Blick in die Stillleben-Gattung und werden jeweils von Luxusobjekten und Alltagsgegenständen des 17. Jahrhunderts komplementiert, sodass die malerische Darstellung eng verwoben wird mit ihren visuellen wie kulturellen Bezugspunkten in der niederländischen Lebenswelt. Hierzu werden nicht nur die Gemälde der musealen Sammlung ergänzt um hochwertige Leihgaben, auch ermöglicht die Kooperation mit der Sammlung der Universität Amsterdam die Präsentation von bisher nicht außerhalb der Niederlande gezeigten Objekten, wie Globen, Kelchen und venezianischen Gläsern. Wissenschaftlich begleitet wurde die Konzeption der Ausstellung durch die Zusammenarbeit mit Prof. Birgit Ulrike Münch vom Kunsthistorischen Institut der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

Heute kann gerade der Prunk, der aus dem florierenden Handel in den Niederlanden jenes Jahrhunderts erwuchs, allerdings nicht mehr ohne seine Kehrseite betrachtet werden: Das sogenannte „Goldene Zeitalter“ fußte auf der harten Arbeit sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen und kolonialer Ausbeutung. Auch diese Schattenseiten rückt die Ausstellung in den Fokus, möchte Schicksale hinter den Bildern ergründen und damit einen differenzierten Blick auf eine revolutionäre Epoche ausbreiten, die in der Stilllebenmalerei eine visuelle Repräsentation findet.

Ninja Elisa Felske ist Kunsthistorikerin und freie Kuratorin.


Augenlust? Niederländische Stillleben im Detail
22.9.2022 – 19.2.2023
LVR-Landes Museum Bonn
Colmantstr. 14-16
D-53115 Bonn
Tel.: +49-228-20700
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 10 €, erm. 7,50 €
www.landesmuseum-bonn.lvr.de