Der Logik höhnend

27.8.2023 – 28.1.2024 | Max Ernst Museum Brühl des LVR

Wäre es etwa Salvador Dalí und Man Ray möglich gewesen, durch die aktuelle Ausstellung im Max Ernst Museum zu schlendern, welche durch das vom kanadischen Künstler Louis-Philippe Rondeau geschaffene Werk „Liminal“ gleich einem Eingangsportal zu betreten ist, hätten sich vermutlich vor lauter Entzückung und surrealer Phantasmen dieser interaktiven Installation – einem Lichtportal, das auf Bewegungen reagiert und Klänge produziert – der Bart Salvador Dalís vor Freude ein Stück mehr gekringelt und Man Rays buschige Augenbraue vor expressivem Erstaunen noch ein My höher gezogen.

Die Ausstellung „Surreal Futures“ bespielt mit Arbeiten aus 19 Ländern erstmals nicht nur die Räumlichkeiten für Wechselausstellungen, sondern interagiert auch in den Sammlungsräumen, indem etwa Cyprien Gaillards Hologramm „L’ange du foyer“ Bezug nimmt auf das gleichnamige Gemälde von Max Ernst von 1937: Hommage, Reflexion, mediale Weiterführung und Huldigung in der Jetztzeit zugleich. Interaktionen mit zeitgenössischen Arbeiten und jenen von Max Ernst findet man vermehrt in der Ausstellung, die so eine dialogische Brücke in die Gegenwart schlägt.

Thematische Schwerpunkte bilden die Kategorien „Digital Bodies“, „Transforming Landscapes“ und „Future Worlds“, innerhalb derer sich die Künstler*innen mit Bezügen zu aktuellen Sujets wie Diversität, Klimakrise, Postkolonialismus, Globalisierung oder Digitalisierung beschäftigen und dabei stets verschiedene temporäre Szenarien durchdeklinieren und so Vergangenheit, Präsenz und Zukunft selbst zum artistischen Spielobjekt machen.

Standen den einstigen Surrealisten Malerei, Photogramm, Décalcomanie, Frottage oder Automatismus zur Verfügung, so schöpfen die Zeitgenossen wie Theo Triantafyllidis, Sabrina Ratté, Johanna Reich oder David Alabo – um nur einige der rund dreißig internationalen Positionen der Schau zu nennen – aus einem rasant fortgeschrittenen Spektrum an medialen Mitteln wie dem 3D-Druckverfahren, multimedialen Sound- und Licht-Performances, digitalen Collagen, interaktiven Videoarbeiten, hybriden Rauminstallationen oder Virtual und Augmented Reality.

Der surrealen Manier folgend, jedweder Kausalität und Logik unangepasst, träumerisch, transzendent und spekulativ, erscheinen die Exponate: Etwa der durch die chinesische Medienkünstlerin Cao Fei geschaffene Avatar Oz – ein Mischwesen aus Mensch, Krake und Maschine –, die mit radioaktiven Elementen gespickten Natur-Dioramen des Franzosen Paul Duncombe oder die computergenerierten Höhlen des in Aachen ansässigen Tim Berresheim. Mit ihrer Arbeit Dreamprints macht Justine Emard zudem die Autorität des Traumes, eine Schlüsselannahme der Surrealisten der alten Schule, wieder greifbar.

Die Sichtbarmachungen dieser Künstlergeneration durch die surreal-futuristischen Szenarien in vermehrt imaginär-diffuser Farbigkeit verkennen dabei keineswegs die Realität mitsamt ihrer Problematiken, zeigen diese vielmehr bildgewaltig und auf partizipative Weise eindringlich auf und vereinen unhierarchisch Fiktion und Wirklichkeit als gleichwertige Parameter.

Dr. Denise Susnja lebt und arbeitet im Rheinland als freie Autorin.

Surreal Futures
27.8.2023 – 28.1.2024
Max Ernst Museum Brühl des LVR
Comesstr. 42 / Max-Ernst-Allee 1
D-50321 Brühl
Tel.: +49-2232-57930
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 11 €, erm. 7 €
www.maxernstmuseum.lvr.de

Text: Dr. Denise Susnja
Bild: Max Ernst Museum Brühl des LVR
Erstveröffentlichung in kunst:art 93