„Die Menschen sehen im Allgemeinen im Kunstwerk zu sehr einen Luxusartikel, etwas Angenehmes, sogar einen Zierrat – etwas, was außerhalb des Lebens steht. Kunst und Leben sind aber eins, Kunst und Leben sind beide Ausdrucksformen der Wahrheit.“ So sprach sich Piet Mondrian für die Verschmelzung von Kunst und Leben aus.
Vermutlich also naheliegend, dass ausgerechnet seine Formsprache, jene strengen schwarzen Linien, die unterschiedlich große Vierecke in den drei Primärfarben einfassen, wie keine andere künstlerische Position im 20. und 21. Jahrhundert zitiert, kopiert, variiert, appropriiert, adaptiert oder persifliert wurde. Sie fand Eingang in Mode, Werbung, Architektur und Design. Und nicht zuletzt in der Kunst selbst bildete sie immer wieder einen wichtigen Referenzpunkt.
Das Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen hat nun in Kooperation mit dem Kunstmuseum Wolfsburg, von dem das Konzept stammt, den künstlerischen Ausgangspunkt in Mondrians Neoplastizismus sowie seine Reflexion unter Zeitgenossen und Nachfolgern aus verschiedensten Bereichen von Kunst und Leben aufgearbeitet.
Die für die zeitgenössische Kunst ganz selbstverständliche Vernetzung von Kunst, Mode, Design, Populärkultur und Werbung wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Künstlern wie etwa Pablo Picasso und Georges Braque erst vorangetrieben und beeinflusste Mondrian, der 1912 nach Paris gegangen war, nachhaltig.
Zur Bekanntheitssteigerung seines Œuvres trug maßgeblich 1945 die große Retrospektive im New Yorker Museum of Modern Art bei – hier hat seine Etablierung im Kunstkanon ebenso wie seine Popularität in weiten Teilen der Öffentlichkeit ihren Ursprung. Das entwickelte sich so weit, dass Begriffe wie „Mondrian“ und „Mode“ heute sofort an die berühmten Cocktailkleider von Yves Saint Laurent aus den 1960er-Jahren denken lassen.
Die Ausstellung spannt einen weiten Bogen von Mondrians Zeitgenoss*innen, deren Arbeiten verdeutlichen, wie in seinem Umfeld der künstlerische Findungsprozess von der abstrakt-figurativen hin zur konkreten Kunst verlief, zu Künstlergruppen wie De Stijl, Cercle et Carré und Abstraction-Création, denen Mondrian angehörte.
Jene Werke, die in der Nachfolge geschaffen wurden, reichen von Positionen, die sich in ihrer individuellen Ästhetik mit Mondrians Werk adaptiv oder zitathaft auseinandersetzen, bis zu zwei- und dreidimensionalen Werken, die entweder konkrete Bilder von Mondrian nachbilden oder die in seinem Stil gearbeitet sind, jedoch teils unter Verwendung „kunstferner“ Materialien.
Und nicht zuletzt sind Künstler*innen vertreten, die sich sowohl kritisch-subversiv mit der ikonischen Formsprache beschäftigen als auch mit der Reflexion des Neoplastizimus innerhalb der Bildenden Kunst.
Seitdem sich Menschen künstlerisch betätigen, zitieren sie in ihrer Kunst eigene Werke und noch häufiger Werke anderer Künstler und Künstlerinnen – und es mag nicht verwunderlich sein, dass jener Künstler, der die „Komposition farbiger Rechtecke, welche die tiefste Realität ausdrücken“ entwickelte, hierfür ein trefflicher Referenzpunkt ist.
Ninja Elisa Felske ist Kunsthistorikerin und promoviert derzeit über Pablo Picasso.
Re-Inventing Piet. Mondrian und die Folgen
9.9.2023 – 21.1.2024
Wilhelm-Hack-Museum
Berliner Str. 23
D-67059 Ludwigshafen am Rhein
Tel.: +49-621-5043045
Di – Fr 11 – 18 Uhr, Do 11 – 20 Uhr, Sa + So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 5 €
www.wilhelmhack.museum
Text: Ninja Elisa Felske
Bild: Wilhelm-Hack-Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 93