Katalytische Wechselbeziehung

2.10.2022 – 8.1.2023 | Von der Heydt-Museum

Ein wahres Energiefeld eröffnete sich in künstlerischer Hinsicht im 19. Jahrhundert: Von den klassizistischen, realistischen und romantischen Tendenzen in der Malerei sind es vor allem die Pleinairmalerei, welche im aufstrebenden Impressionismus gipfelte, sowie das Etablieren des fotografischen Mediums, die jenes Zeitalter nachhaltig prägten.

Dass sich Fotografie und Malerei gegenseitig auch schon zu jenen Tagen bedingten, bleibt dabei ohne Zweifel. Beide Medien bewunderten sich gewissermaßen gegenseitig, hatten Nutzen voneinander und fürchteten sich gleichsam voreinander. Die malende Zunft – darunter Monet, Sisley, Signac und Cézanne, von denen herausragende Arbeiten aus dem eigenen Bestand der Sammlung zu sehen sind – war gemeinhin den Impressionisten zuzuordnen. Die Fotografierenden hingegen nannten sich Piktorialisten, eine Bewegung, die ihre Wurzeln im viktorianischen England hatte und ab den 1860er-Jahren Deutschland, Frankreich, Österreich und die USA erreichte. Das erklärte Ziel des Piktorialismus war die Nobilitierung des Mediums Fotografie als Kunst und somit ihr Einzug in die Kunstmuseen. Jene Emanzipationsversuche wurden anfangs noch kläglich beäugt und mit dem Flug des Ikarus verglichen, doch spätestens mit einem Protest französischer Künstler in Paris, die Mitte des 19. Jahrhunderts einen Antrag bei der Pariser Regierung einreichten, um das Konkurrenzmedium Fotografie wegen unlauteren Wettbewerbs zu verbieten, hatte das fotografische Medium einen festen – wenngleich wesentlich kleineren – Platz am Tisch des Kunstgeschehens eingenommen.

Trotz oder gerade wegen des Wettstreits, in welchen Fotografie und Malerei miteinander getreten sind, lassen sich mannigfaltige Parallelen in der Bildgestaltung und Themenwahl finden. Der steilklippige Küstenabschnitt von Etretat etwa, fotografisch festgehalten von Louise Deglane, atmosphärische Sonnenuntergänge wie bei Hugo Henneberg oder Pariser Ansichten finden sich in beiden medialen Welten.

Anhand von mehr als achtzig wertvollen Aufnahmen – darunter besondere technische Verfahren wie das Autochrome, Platin- und Gummidruck sowie Abzüge auf Albuminpapier – bietet das Kuratorenteam, bestehend aus Anna Baumberger, Dr. Ulrich Pohlmann und Helene von Saldern, einen besonderen Einblick in das Spannungsfeld und die Korrelationen, die sich Fotografie und Impressionismus zu bieten haben. Wie fruchtbar der Dialog war, zeigt sich vor allem auch darin, dass zwei Medien nicht nur nebeneinander Bestand hatten, sondern jeweils für sich auch ihr eigenes Spektrum, ihr Können und ihre technischen wie künstlerischen Machbarkeiten und Unzulänglichkeiten zu hinterfragen begannen. Der Debatte war also gleichsam eine Technikreflexion eingeschrieben.
Durch das Nebeneinanderstellen der fotografischen Arbeiten von Gustave Le Gray, Eugène Cuvelier und Heinrich Kühn und den malerischen Werken lässt sich diese wechselvolle Beziehung ganz sinnstiftend nachvollziehen.

Paula Wunderlich lebt und arbeitet als freie Autorin im Rheinland.

Eine neue Kunst. Fotografie und Impressionismus
2.10.2022 – 8.1.2023
Von der Heydt-Museum
Turmhof 8
D-42103 Wuppertal
Tel.: +49-202-5636231
Di – So 11 – 18 Uhr, Do 11 – 20 Uhr
Eintritt: 12 €, erm. 10 €
www.von-der-heydt-museum.de

Text: Paula Wunderlich
Bild: Von der Heydt-Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 89