Schattenseite der Vergangenheit

22.10.2022 – 19.2.2023 | Kunstmuseum Basel

Es war ein Akt der Willkür und Barbarei sondergleichen in der Kunst, als die Nationalsozialisten am 19. Juli 1937 in München die Ausstellung „Entartete Kunst“ eröffneten, die im November desselben Jahres endete. Seit 1933 wurde systematisch Jagd auf die Werke des Expressionismus, Surrealismus, Dadaismus, Fauvismus, Kubismus und der Neuen Sachlichkeit gemacht, die als abartig und unanständig galten. Besonders betroffen waren jüdische Künstler, Sammler, Galeristen und regimekritische Kunstschaffende. Die Auswirkungen der staatlich angeordneten Verfügung, Werke der Modernen Kunst aus Museen, Galerien und Sammlungen zu entfernen, sind bis heute spürbar. Der Verbleib etlicher Kunstwerke ist nach wie vor ungeklärt.

Aus der Öffentlichkeit verschwanden die Werke zwar, aber vernichtet wurden sie bei Weitem nicht. Vielmehr wurden sie nach der Verkäuflichkeit auf dem internationalen Kunstmarkt eingeschätzt und inventarisiert. Ermöglicht wurde dies durch das 1938 erlassene „Gesetz über die Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“. Was nicht als zu veräußern galt, wurde am 20. März 1939 in Berlin verbrannt.

Georg Schmidt (1896–1966), der damalige Direktor des Kunstmuseums Basel, erwarb im Sommer 1939 auf einer Auktion in Luzern und aus einem Depot in Berlin 21 Werke aus dem Konvolut der „Säuberungsaktion“. Darunter das Gemälde „Tierschicksale“ (1913) von Franz Marc, Paula Modersohn-Beckers „Selbstbildnis als Halbakt mit Bernsteinkette II“ (1906), Oskar Schlemmers „Fünf Figuren im Raum“, „Römisches“ (1925) und von Max Beckmann „Das Nizza in Frankfurt am Main“ (1921). „Die Windsbraut“ von Oskar Kokoschka, die der Österreicher 1913 malte, befindet sich ebenfalls unter den Kunstwerken, die Schmidt mit einem Sonderkredit der Basler Regierung erwarb. Es ist Kokoschkas bekanntestes Werk. Die Sammlung der Klassischen Moderne in Basel, die heute zu den berühmtesten ihrer Art zählt, legte mit diesen Kunstwerken den Schwerpunkt auf die Moderne fest.

Mit der Ausstellung „Zerrissene Moderne“ widmet sich das Haus dem Entstehen der Sammlung und den Auswirkungen des kulturpolitischen Gewaltaktes des NS-Regimes auf die weltweiten Museumssammlungen der Gegenwart. Mehr als 21.000 Objekte wurden 1937 beschlagnahmt, von denen 600 in München gezeigt wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten diejenigen, die den Krieg, oftmals im Exil, überlebt hatten, die ihnen geraubten Kunstwerke zurückzubekommen. Ein schwieriges Unterfangen, bis heute für die Erben. 1998 wurden in Washington auf einer Konferenz elf Prinzipien verabschiedet, die helfen sollen, offene Fragen der rechtmäßigen Herkunft geraubter Kunst aus der NS-Zeit zu klären. 44 Staaten unterzeichneten die Washingtoner Prinzipien, darunter die Schweiz. Öffentliche Museen sind seitdem aufgefordert, die Sammlungen die Herkunft der Werke zu überprüfen. Ziel ist, sollte ein Kunstwerk tatsächlich auf verschleiertem Weg ins Museum gelangt sein, eine Rückgabe oder gemeinsam eine andere faire Lösung für den rechtmäßigen Besitzer zu finden.

Nadja Naumann kam früh mit der Klassischen Moderne in Berührung, da das Kunstmuseum Moritzburg Halle in ihrer Heimatstadt eine erlesene Sammlung von Werken von Franz Marc besitzt.

Zerrissene Moderne. Die Basler Ankäufe “entarteter” Kunst
22.10.2022 – 19.2.2023
Kunstmuseum Basel
Neubau
St. Alban-Graben 8
CH-4010 Basel
Tel.: +41-61-2066262
Di – So 10 – 18 Uhr, Mi 10 – 20 Uhr
Eintritt: 26 CHF, erm. 8 – 13 CHF
www.kunstmuseumbasel.ch

Text: Nadja Naumann
Bild: Kunstmuseum Basel
Erstveröffentlichung in kunst:art 88