Bekannt wurde Fiona Banner in den 1990er Jahren mit medienübergreifenden konzeptuellen Arbeiten, die sich mit Sprache, deren Möglichkeiten und Limitierungen auseinandersetzten. Mit einer großen Bandbreite von Zeichnungen, Installationen, Performances, Skulpturen und Publikationen hinterfragte die Künstlerin ihre gleichzeitige Faszination und Abscheu gegenüber Kriegsfilmen, der Darstellung von Gewalt und Pornografie. Fiona Banner verwandelt Sprache in Form und unterwandert so herkömmliche Erzählformen und Mythenbildungen.
Ein Schlüsselwerk bildet etwa das 1000-seitige Buch THE NAM (1997). Hier erzählt Banner sechs Vietnamkriegs-Filme, darunter Apocalyse Now und Full Metal Jacket, Szene für Szene detailliert nach. Dabei verschmelzen die Filmplots so miteinander, dass sie wie das literarische Äquivalent eines einzigen, brutalen ‘Superfilms’ wirken. Während im Film 24 Bilder pro Sekunde aufeinander folgen, gibt die Transkription in sprachliche Bilder jedes einzelne Bild zwar möglichst präzise wieder, unterbricht jedoch dadurch auch den schnellen Ablauf der flüchtigen Filmbilder. Fiona Banners sprachliche Wiedergabe der Filme gleicht einer fortlaufenden Kette von ‚Film Stills‘ (die Künstlerin zieht den Begriff ‚Still Films‘ vor), die sich aus voyeuristisch detailliertem Blickwinkel zu einer atemlos erzählten Choreografie der Gewalt vertieft.
Die Frage nach dem Abbild und der Ökonomie der Bilder ist auch immer eine politische, die Fiona Banner mit der sprachlichen Darstellung des Blickes stellt.
Die Videodokumentation Mirror (2007) zeigt eine Live-Performance der Schauspielerin Samantha Morton in der Whitechapel Gallery in London. Sie war zu einer Sitzung als Aktmodell in Fiona Banners Studio gewesen, und liest nun erstmals und vor Publikum den Text, der als ebenso sensibles wie schonungsloses Porträt ihres nackten Körpers entstanden ist. Der Vortrag der Beschreibung erweist sich als harte Konfrontation mit einem Spiegelbild, das Samantha Morton an die Grenzen ihrer Kontrolle bringt.
Joseph Conrads Novelle Herz der Finsternis (Heart of Darkness, 1899) bildet den Ausgangspunkt für einige aktuelle Werke von Fiona Banner. Conrads Schilderung einer gefährlichen Reise flussaufwärts in das Landesinnere des Kongos beschreibt auch die Auswirkungen von Kolonialismus, Machtgier und Rassismus, die sich in der Figur des korrupten Handelsagenten Mr. Kurtz bündeln. Fiona Banner aktualisiert die Bedeutung dieser Geschichte aus dem 19. Jahrhundert, indem sie Parallelen zwischen der Figur des Handelsagenten und den Zeitgenossen zieht, die heute ebenso ehrgeizig, machtgierig und selbstbezogen agieren. Ihr Markenzeichen ist der Nadelstreifenanzug und ihr Dschungel der Finanzdistrikt der Metropole London. Fiona Banner lud gemeinsam mit dem Archive of Modern Conflict den bekannten Fotografen Paolo Pellegrin ein, das Londoner Bankenviertel wie ein gefährliches Kriegsgebiet zu erkunden. Aus seinen Aufnahmen entstanden 2015 das Magazin Heart of Darkness sowie ein ungewöhnliches Videofilm-Porträt von London, die nun zusammen mit großformatigen Graphitzeichnungen von Nadelstreifenhosen in der aktuellen Ausstellung präsentiert werden.
Scroll Down And Keep Scrolling ist die erste, retrospektiv angelegte Ausstellung der 1966 in Liverpool geborenen Künstlerin, die 1993 ihr Studium am Goldsmiths College in London abschloss und 2002 für den Turner-Preis nominiert war. Die in Kooperation mit der Ikon Gallery in Birmingham organisierte Ausstellung umfasst ein breites Spektrum von rund 70 Arbeiten, das von Collagen, Publikationen, Schriftdesigns und Zeichnungen bis hin zu Choreografien, Performances, Skulpturen und Videofilmen reicht.
Für ihre Ausstellungen in Birmingham und Nürnberg hat Fiona Banner die Schrifttype Font entwickelt, mit der alle Printprodukte gestaltet werden. Anstelle eines Kataloges ist ein 832 Seiten starkes Künstlerbuch in Banners eigenem Verlag The Vanity Press erschienen, das nicht die abgeschlossenen Kunstwerke in den Mittelpunkt stellt, sondern deren Entstehungsprozesse mit umfangreichem Archivmaterial dokumentiert: 30 Euro während der Laufzeit der Ausstellung.
Text: Kunsthalle Nürnberg | Foto: Kunsthalle Nürnberg
Externer Link: Kunsthalle Nürnberg
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