Die neue Auftragsarbeit der Serie DER ÖFFENTLICHKEIT – Von den Freunden Haus der Kunst, “We would be floating away from the dirty past” von Laure Prouvost, geht direkt auf die Architektur der Mittelhalle ein. Wenn man den großen Raum betritt, der genau im Herzen des Gebäudes liegt, wird man als Erstes von einer Metallfigur begrüßt, die Schmutz vom Boden aufwischt. Auf ihrem Monitorkopf ist zu lesen “We heard you coming” (“Wir haben euch kommen gehört”) und “We have been waiting for you to arrive for so long” (“Wir haben so lange gewartet, dass ihr kommt”); Bilder von Blumen, Wellen und Wischlappen flackern vor dem Betrachter auf. Hinter der Figur beult sich der rote Marmorboden der Halle. der oft als “Blutwurstmarmor” bezeichnet wird, als hätten sich die
Bodenplatten vom Untergrund gelöst.
Wenn man dieses Architekturphänomen umkreist, entdeckt man unter dem angehobenen Boden einen höhlenartigen, schmuddeligen Raum, den man betreten kann. Hier begegnet man weiteren metallenen Strichmännchen mit virtuellen Gesichtern, die auf einem großen Teppich sitzen, liegen und lümmeln. Diese Metallpersonen sind empfindsame Wesen. Eine ruft aus: “It warms my monitor head to know you came to see us” (“Es wärmt meinen Monitorkopf, dass ihr uns besuchen gekommen seid”). Der Teppich wirkt staubig und ist eine Collage von Bildern: Alte Fahrräder, Werkzeug und eine Schuhbürste tauchen aus dem schmutzigen Boden auf, dazu gesellen sich die Geister früherer Projekte und Ausstellungen, die hier stattgefunden haben, etwa von Haegue Yangs Auftakt der Serie DER ÖFFENTLICHKEIT – Von den Freunden Haus der Kunst (2012), oder von den Möbeln aus einer Modeausstellung der späten 1950er-Jahre. In diesem Bilderstrudel, der sich aus den Sedimenten der Zeit erhebt, schweben rosa Pos und Brüste über den Teppich. Auf dessen dreckiger Oberfläche stehen Slogans: “So much happened here before you came” (“So viel ist hier geschehen, bevor du gekommen bist”) oder “nothing is lost” (“Nichts ist verloren”).
Während der Teppich die Vergangenheit beschwört, wird ein Video mit dem Titel “If It Was” tief in dieser unterirdischen Höhle projiziert. Der Film beschäftigt sich mit dem Museum selbst und seiner möglichen Zukunft. Eine Bild-Text-Montage unterbricht sich dauernd selbst; gleichzeitig spekuliert der Hintergrundkommentar darüber, wie das Haus der Kunst wohl wäre, wenn es dem Sprecher bzw. der Sprecherin gehören würde. Was wäre, wenn die Ecken des Gebäudes alle ein bisschen weicher wären? Was wäre, wenn man das Dach abnähme und innen Palmen kultivierte? Würden mehr Besucher kommen, wenn man die gesamte Konzeptkunst in einer einzigen Ecke versteckte?
In ihrer Gesamtheit laden uns die verschiedenen Elemente von “We would be floating away from the dirty past” dazu ein, einen Blick unter die glatte Oberfläche des Museums zu werfen: In seine vergessene Vergangenheit und auf verschiedene Varianten seiner Zukunft. Prouvost stellt die Unterseite der Institution aus und macht sie zum Schauplatz für die Vorstellungskraft.
“We would be floating away from the dirty past” ist – nach Beiträgen von Haegue Yang (2012/13), Manfred Pernice (2013/14) und Anri Sala (2014/15) – die vierte Präsentation in der Serie DER ÖFFENTLICHKEIT – Von den Freunden Haus der Kunst. Die Auftragsarbeiten werden jeweils ein Jahr in der 800 qm großen Mittelhalle gezeigt und entstehen mit großzügiger Unterstützung von der Gesellschaft der Freunde.
Laure Prouvost (*1978 in Paris Raubaix, France) lebt und arbeitet in London und Antwerpen. 2013 wurde sie mit dem renommierten Turner Prize ausgezeichnet. Sie hat international in bekannten Institutionen ausgestellt, darunter die Tate Britain (2010, 2011, 2013) und die Whitechapel Gallery in London (2009, 2010, 2012, 2013), Portikus in Frankfurt (2011), der Neue Berliner Kunstverein (2014) sowie das New Museum in New York (2014). Sie war bei internationalen Filmfestivals vertreten und gewann zweimal den ersten Preis beim internationalen Kurzfilmfestival in Oberhausen (2010, 2011).
Text: Haus der Kunst | Foto: Haus der Kunst
Externer Link: Haus der Kunst
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