Art Cologne versus Berlin Gallery Weekend

Ein Kommentar von Mathias Fritzsche in kunst:art 49

Weniger als 10 Prozent ihres Umsatzes – so wird in der Branche zuverlässig gemunkelt – machen die Berliner Galerien in den eigenen Ausstellungsräumen. Es ist also eher die Ausnahme, dass bei einer Vernissage oder gar während der Ausstellung jemand in die Galerie tritt und ein Bild kauft. Nein, der Umsatz wird anders und meist vor allem woanders, nämlich außerhalb Berlins gemacht. Deshalb sind die Berliner Galerien in der Regel auch recht bescheiden untergebracht, anders etwa als so manche Münchner, Düsseldorfer oder Kölner Galerie.

Wenn also nur jeder zehnte bis zwanzigste Euro in Berlin eingenommen wird, so stellt sich die Frage, woher der Umsatz denn nun kommt. In der Zeit zwischen der Art Cologne und der Art Basel liegt die Antwort auf der Hand: Ein großer Teil des Umsatzes kommt tatsächlich aus den verschiedenen Kunstmessen, die regelmäßig besucht werden. Hierher kommen die Sammler und Gelegenheitskäufer, die zwar die Berliner Ware schätzen, aber nicht in Berlin leben.

Nun will es der Zufall – die einen sprechen von einer zu lang dauernden Fitnessmesse, die anderen von ungünstigen Osterferien –, dass die Art Cologne 2017 zeitgleich zum Gallery Weekend in Berlin stattfinden wird. Eine Konstellation, wie vor fünfundzwanzig Jahren: Berlin – Köln – Kunst! Die Terminkollision wird in Berlin gar nicht gut aufgenommen: Von Skandal ist die Rede, ein Affront gegen Berlin, die Berliner Galerien werden die Art Cologne boykottieren! Immerhin sind es derer gut zwanzig, die bei der 2016er Art Cologne waren.

Doch wie sehen die harten Fakten aus? Richtig ist, dass der Termin Anfang Mai der traditionelle Termin des Gallery Weekends in Berlin ist. Warum auch immer die Art Cologne auf diesen Termin gehen möchte oder muss: Es ist erst einmal verständlich, dass man in Berlin darüber nicht erfreut ist, womöglich sogar erzürnt. Aber letztlich zählt was bleibt … Mit einem Boykott drohen, von dem klar ist, dass man sich den nicht leisten kann? Das ist wie ein Streik ohne Streikkasse! Oder wie eine Hauptstadt ohne Kunstkäufer …

Tatsächlich kann man sich fragen, ob das nicht sogar ein Vorteil für Berlin sein kann! Warum nicht Shuttle-Flüge von Köln nach Berlin, um vermögende Sammler aus Übersee zum Berliner Ereignis zu bringen? Denn wenn zwischen Art Cologne und Gallery Weekend ein-zwei Wochen liegen, dann werden diese Kunstsammler bestimmt nicht zu beiden Ereignissen jetten, sondern im Zweifel nur die Art Cologne besuchen. Wäre das anders, wäre ja auch der Umsatz in den Galerieräumen größer!

Es widerspricht dem Selbstverständnis Berlins sich als Anhängsel, als Nummer Zwei zu sehen. Und wenn das auch noch zum Berliner Stamm-Termin geschieht, dann umso mehr. Das ist menschlich, das ist verständlich, das ist aber auch strategisch dumm! Warum nicht geschickt verhandeln? Wie wäre es mit einer Berliner Ecke der Galerien aus Berlin inklusive Berlin-Lounge auf der Art Cologne, von der aus die Shuttle-Flüge geplant werden? Die Berliner Galerien sollten darum kämpfen, auf der Art Cologne als Berlin kenntlich zu sein und die Herkunft als Qualitätsmerkmal verkaufen.

Einfach mal den Stolz runterschlucken und strategisch, nicht emotional denken. Denn wenn man mit der Art Cologne gut verhandelt, dann kann in diesem Fall etwas herausspringen. Auch die Art Cologne muss an einer Einigung interessiert sein, da ein handfester Streit ihr ebenfalls schaden kann. Nicht so existenzbedrohend, wie bei einigen der Galerien, aber immerhin könnte weiterer Boden gegenüber der Art Basel verloren gehen. Das kann Daniel Hug auch nicht wollen.

Text: Mathias Fritzsche | aus kunst:art 49

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